Im Interview: Zhang Ziyi:"Nacktszenen habe ich nicht nötig"

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Zhang Ziyi ist der Star des Films "Die Geisha". Der Film wird uns beschäftigen. Die Schauspielerin sowieso. Im Interview spricht sie über Tränen, ihre unendliche Traurigkeit und den Bau ihres Lebens.

Patrick Roth

Kämpfend, martialisch ist sie in den letzten fünf Jahren weltweit bekannt geworden, in Filmen wie ¸¸Tiger & Dragon", ¸¸Hero" und ¸¸House of Flying Daggers". Nun tritt Zhang Ziyi als ¸¸Geisha" an, in der Verfilmung des Bestsellers von Arthur Golden, die lange Zeit ein Projekt von Steven Spielberg war.

Ich glaube, ich habe einen ziemlich schönen Rücken. Es genügt, wenn ich den zeige. Finden Sie nicht? (Foto: Foto: AP)

SZ: Wie war Ihre Reaktion, als Sie den fertigen Film, diese Geschichte einer Frau, die sich ganz dem Beruf, der Kunst der Geisha opfert, zum ersten Mal sahen?

Zhang Ziyi: Am Ende musste ich weinen - aus vielerlei Gründen. Für die Zuschauer stellt es sich einfacher dar, vielleicht weint man über die Geschichte oder das Schicksal der Geisha. Aber bei mir, verstehen Sie, kommt ja die Arbeit an der Rolle hinzu, die endlosen Stunden, die ich damit verbracht habe, die Sayuri, die ich spiele, zu verstehen. Ich wollte fühlen wie sie, mit dem Herzen, mit dem ganzen Körper. Die unendliche Traurigkeit in ihr, die sie niemandem zeigen durfte - als Geisha. Auf der Leinwand sieht man sie weinen, aber meist hält sie die Tränen zurück, wie es in Japan ja üblich ist. Die physische Erinnerung an so viele Szenen, in denen ich mich zwingen musste, nicht lauthals zu weinen . . . Es war schlimm.

SZ: Welche Szenen waren das?

Zhang Ziyi: Naja, ich erinnere mich an die Szene, in der mir der General seine - wie er sagt - Kimono-Sammlung zeigen will. Die empfand ich als besonders grauenhaft für Sayuri. Ich hatte solches Mitleid mit ihr . . . Der Regisseur Rob Marshall wollte, dass Sayuri weint. Aber ich sagte: ¸¸Vielleicht ist Sayuri dermaßen verängstigt, dass sie nicht einmal mehr weinen kann. Sie zittert, sie bringt kein Wort, keine Träne mehr raus." Und so haben wir es dann versucht. Es war furchtbar, ich konnte, als ich die Szene begann, nicht mehr aus der Rolle schlüpfen. Ich bebte am ganzen Körper, auch zwischen den Takes hörte das nicht mehr auf. Meine beiden Assistentinnen, die mir nach jedem Take mit dem Kimono halfen, waren nur noch am Heulen und steckten uns alle damit an.

SZ: Was ist das - auch jetzt, während Sie reden, kommen Ihnen Tränen.

Zhang Ziyi: Das ist die Erinnerung, ich sehe es vor mir - und plötzlich ist alles wieder da.

SZ: Wie bringen wir Sie wieder auf andere Gedanken? Die Szene, die Sie eben erwähnten, hatte Ihr Regisseur die als Nacktszene geplant?

Zhang Ziyi: Nein, nein. Nacktszenen habe ich nämlich nicht nötig. Erstens bin ich Chinesin, das heißt: eigentlich konservativ - jedenfalls, was Sexszenen angeht. Ich glaube, ich habe einen ziemlich schönen Rücken. Es genügt, wenn ich den zeige. Finden Sie nicht?

SZ: Ohne Frage. Ihren leichten Zugang zu Tränen, wie erklären Sie sich den? Nennt man das ¸¸acting"?

(Foto: N/A)

Zhang Ziyi: Wenn das Gefühl da ist, wird es real. Das Gefühl kümmert sich dann nicht mehr um Bezeichnungen wie Vergangenheit oder Gegenwart. Wenn ich in meine Rolle vordringe, mache ich alles präsent. Ich bin dann Sayuri. Vor allem, was ihre Gefühle angeht. Genau dafür bin ich ja da. Ich darf die anderen nicht enttäuschen.

SZ: Wie meinen Sie das?

Zhang Ziyi: Man hat mich nach einem langwierigen Casting ausgewählt. Ich muss die beste Arbeit abliefern, mit derselben Disziplin, die man einer Geisha abverlangt. Das ist meine Ambition. Dafür bin ich Schauspielerin geworden.

SZ: Wussten Sie vorab einiges über die Welt, in der diese Geishas lebten?

Zhang Ziyi: Nichts. Ich hatte das Buch vor einigen Jahren gelesen, aber ich wusste keine Details. Geishas sind Künstlerinnen - ¸¸gei" ist das Wort für Kunst -, ihre Tradition ist Japan ganz eigen. In China haben wir nichts Vergleichbares. Sie verwenden lange Jahre auf diese Kunst. Wir Schauspielerinnen hatten nur Monate, die Tänze, die Rituale zu erlernen, die schweren Kimonos zu tragen, uns wie Geishas zu bewegen. Mir half dabei sehr, dass ich eine Ausbildung als Tänzerin hinter mir habe. Auch die Einsamkeit und harte Disziplin, mit der ich damals als junges Mädchen umzugehen lernen musste - ich lebte in einem strengen Internat -, half mir, Sayuris Leben, ihre sich aus den Konflikten herausbildende Entschlossenheit nachzuempfinden.

SZ: Wo haben Sie so gewissenhaft zu arbeiten gelernt?

Zhang Ziyi: Ich habe die besten Lehrer gehabt. Zhang Yimou hatte mich früh entdeckt, er war ein großer Lehrer . . .

SZ: Zhang Yimou hatte auch Gong Li - im Film Ihre Gegenspielerin Hatsumomo - entdeckt und protegiert. Zunächst soll Sie die asiatische Presse vor allem als ¸¸little Gong Li" bezeichnet haben. War das beleidigend?

Zhang Ziyi: Man verglich uns eben wegen unserer Beziehung zu Zhang Yimou. Nein, mir war das egal. Sie ist eine der wirklich großen Schauspielerinnen. Da ist es eher ein Kompliment, mit ihr verglichen zu werden. Ich rief sie an, gleich nachdem ich den Film gesehen hatte. Ich wollte ihr zu ihrem Erfolg gratulieren. Sie ist einfach enorm in der Rolle, ich war sprachlos. Ich erinnerte mich, wie groß die Angst war, die ich als Sayuri gegenüber Hatsumomo empfand, und bedauerte, dass wir in so wenigen Szenen gemeinsam zu sehen sind.

SZ: Lässt sich Rob Marshalls Arbeitsweise mit der von Wong Kar-Wai oder Ang Lee vergleichen?

Zhang Ziyi: Ich habe mit Wong Kar-Wai und Ang Lee große Filme gedreht, ¸¸2046" und ¸¸Tiger & Dragon" . . . Ich vergleiche die Arbeit an meinem beruflichen Können mit dem Bau eines Hauses, in dem ich wohnen will. An dem baue ich ja nicht nur einen Tag. Sondern Film für Film. Dabei wird mir immer wieder etwas geschenkt - mit jeder Herausforderung, die ein großer Regisseur an mich stellt. Man muss zu Opfern bereit sein, auch das ist eine Geisha-Qualität, man kann sie trainieren.

SZ: Und praktisch hieße das?

Zhang Ziyi: Man hat nur noch Zeit für den Beruf. Ich drehe zur Zeit einen chinesischen Film. Das sind zwölf Arbeitsstunden pro Tag - wir haben dort ja viel längere Arbeitszeiten als hier in Kalifornien, wo wir ¸¸Geisha" gedreht haben. Aber jeden Tag stehe ich nun zwei Stunden früher auf, um Englisch zu lernen. Früher wurden chinesischen Schauspielerinnen ja immer nur dieselben Rollen angeboten: Prostituierte oder Bedienungen. . .

SZ: Wie lief die Arbeit mit Marshall?

Zhang Ziyi: Ich glaube, er allein war dafür verantwortlich, dass ich mich professionell steigern wollte. Ich sah, wie genau sein Auge war für jedes Detail auf dem Set, für die Farbkomposition, die Bewegung der Kamera. Wie geduldig er alles korrigierte, bis es perfekt war. In einer Szene gibt man Sayuri die Aufgabe, sich mit einem einzigen Blick einem Passanten auf der Straße unvergesslich zu machen.

SZ: Sie werfen einen Radfahrer total aus der Bahn . . .

Zhang Ziyi: Das war völlig verrückt. Wir haben das zwanzig- oder dreißigmal versucht. Rob hatte solche Geduld mit mir. Manchmal ist das Timing einfach nicht richtig. Dazu kam, dass es mir irgendwie peinlich war, jemanden so anzublicken. Aber Rob insistierte. Beim dreißigsten Take endlich . . . Da sah ich ihn an, ja. Ich glaube, so hab ich"s im wirklichen Leben noch nie getan. So ein Blick war das! Wer weiß, vielleicht wird er mir später mal nützen.

SZ: Warum später? Sie sind 26.

Zhang Ziyi: Ich habe jetzt einfach keine Zeit für einen Freund - oder gar, an Ehe zu denken. Wenn es je soweit kommt, müssen meine Eltern ihr Einverständnis geben. Nein, ich werde mich die nächsten Jahre auf meine Karriere konzentrieren.

SZ: Gut, das hat Zukunft. Gibt es keine Männer, für die Sie schwärmen? Keinen amerikanischen Schauspieler, der Ihnen gefiele?

Zhang Ziyi: Ich mag den Mann in ¸¸Brokeback Mountain", Jake Gyllenhaal. Vielleicht hätte der auch Zukunft . . .

Interview: Patrick Roth

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.13, Dienstag, den 17. Januar 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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