Im Interview: Stefan Raab:"Ich kann nichts richtig"

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Der Moderator Raab lästert ja gerne über andere, spricht aber fast nie über sich selbst. Hier macht er mal eine Ausnahme.

Philipp Oehmke

SZ-Magazin: Herr Raab, der deutsche Humor...

"Plötzlich stellt man fest, wirklich spannend, hochwertig und interessant wird es nur dann, wenn man es ernst betreibt." (Foto: Foto: dpa)

Stefan Raab: Was haben Sie denn da?

SZ-Magazin: Einen iPod.

Raab: Nein, das andere.

SZ-Magazin: Ein Mikrofon, das man auf den iPod steckt.

Raab: Wie? Wo gibt es denn so was? Das will ich auch haben! Ich habe immer noch dieses alte Diktiergerät in der Tasche. Hier.

SZ-Magazin: Wozu haben Sie das?

Raab: Ich spreche da meine Ideen für einen Song oder einen Gag drauf. Nur irgendwann sind da die Ideen eines halben Jahres zu hören, die ich nicht mehr auseinander halten kann.

SZ-Magazin: Was war die letzte Idee, die Sie auf Ihr Diktiergerät gesprochen haben?

Raab: Weiß gar nicht mehr. Wie gesagt, ich höre das nicht so oft ab. Fragen Sie mich, wenn ich mit Ihrem Gerät arbeite.

SZ-Magazin: Kommen Sie! Eine Idee von Stefan Raabs Diktiergerät, die die Welt noch nicht kennt.

Raab: 2004 in Istanbul nach dem Grand Prix. Wir hatten mit Max Mutzke nur den achten Platz gemacht. Die Stimmung war ziemlich im Keller. Wir saßen im Bus und fuhren weg vom Ort unserer Schmach. Ich dachte, eine witzige Idee muss jetzt sofort her. Der nächste Grand Prix würde in Kiew stattfinden. Ich sagte also: Wir schicken die beiden Klitschkos nach Kiew. Die müssen singen: "Bum, bum, bum, ich hau dich um." Lustige Idee.

SZ-Magazin: Aber dann haben Sie die auf Ihrem Diktiergerät nicht wiedergefunden.

Raab: Außerdem war die zweite Idee noch besser.

SZ-Magazin: Nämlich?

Raab: Wir machen lieber eine ernst gemeinte Gegenveranstaltung zum Grand Prix, der ja eh nicht zu retten war. Wir machen den Bundesvision Song Contest.

SZ-Magazin: Sie sagen: ernst gemeint. Der Bundesvision Song Contest klang ja erst mal wie eine Persiflage auf den Grand Prix.

Raab: Genau! Ist er aber nicht. Das ist der Trick. Auch "Stefan Sucht Den Super Grand Prix Star", unsere kleine Castingshow, aus der Max hervorging - die schien ja zunächst auch wie eine Persiflage. Doch das Gegenteil war richtig. Der Witz lag darin, dass man es in die andere Richtung überspitzt: es nicht noch schlechter macht - wie man es normalerweise machen würde in der Comedy -, sondern andersrum, nämlich besser. Als Persiflage wäre das nur bedingt lustig gewesen.

SZ-Magazin: Erklären Sie mal, warum.

Raab: Wie würde man den Bundesvision Contest denn machen als klassische Persiflage? Man würde wohl für jedes Bundesland einen Music-Act kreieren, der die Klischees des Landes überzeichnet und dabei noch möglichst bekloppt aussieht. Der Ostfriese kommt mit Holzschuhen, hat Segelohren, rechts und links Fische in der Hand und singt irgendwas, was ähnlich klingt wie An der Nordseeküste. Und der Bayer kommt mit einem Hackebeil und Gamsbarthut... Merken Sie was?

SZ-Magazin: Ist gar nicht so witzig.

Raab: Exakt! Das säuft ab. Hätte man aber vor ein paar Jahren genau so gemacht. Plötzlich stellt man fest, wirklich spannend, hochwertig und interessant wird es nur dann, wenn man es ernst betreibt.

SZ-Magazin: Daran lässt sich eine generelle Entwicklung im deutschen Humor festmachen. In den Siebzigern und Achtzigern bedeutete deutscher Humor: witzige Brillen, verrückte Perücken, vorstehende Zähne.

Raab: Klaus und Klaus! An der Nordseeküste. Sage ich ja. Da haben wir die Brillen, da haben wir merkwürdige Physiognomien, einer groß, der andere klein.

SZ-Magazin: In den Neunzigern wurde diese Art von Humor abgelöst durch Leute wie Helge Schneider, Harald Schmidt und Sie, viel ambivalentere Figuren. Inzwischen gibt es so viele junge deutsche Komiker wie noch nie.

Raab: Ja. Ich finde das gut. Da kann man stolz sein. Wir halten inzwischen gut mit den US-Comedians mit. Deren Niveau ist nicht höher als unseres. Das Gerede von irgendwelchen Schlaubergern, Letterman und Leno seien lustiger als Schmidt, ist Unsinn. Das muss man sich mal eins zu eins übersetzen, dann merkt man, dass die auch nur mit Wasser kochen. Auch Chris Rock, Eddie Murphy.

SZ-Magazin: Haben Sie irgendwann rausgefunden, wie es für Sie am besten funktioniert, lustig zu sein?

Raab: Meine große Spezialität: Ich kann von allem ein bisschen. Nichts richtig. Ich bin kein großer Stand-up-Komödiant. Klar, ich kann fünf Minuten am Stück dafür sorgen, dass ein paar Leute lachen. Aber nicht eine Stunde lang, wie Michael Mittermeier oder Mario Barth. Die sind da Spezialisten. Ich kann ein Programm machen, in dem ich was Lustiges erzähle, dann ein bisschen Musik mache, aber auch mal ernst bin.

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