Im Gespräch: Regisseur Ari Folman:Vom Mainstream umarmt

Lesezeit: 2 min

Regisseur Ari Folman, der selbst im Libanon-Krieg war, hätte nie gedacht, dass sein Kinofilm "Waltz with Bashir" ihn erstens therapieren und zweitens so erfolgreich sein würde.

Interview: Susan Vahabzadeh

Der israelische Filmemacher Ari Folman ist selbst Soldat gewesen im Libanonkrieg von 1982, das Verarbeiten seiner eigenen traumatischen Erfahrung ist das Thema seines dritten Films "Waltz with Bashir".

Animierter Dokumentarfilm: Szene aus "Waltz with Bashir". (Foto: Foto: ddp)

SZ: Sie hatten mit "Waltz with Bashir" großen Erfolg - in Israel musste die Kopienzahl mehrmals erhöht werden. Heißt das, Sie haben mit so viel Zuspruch nicht gerechnet?

Ari Folman: Nein. Ich dachte, der Film wird als politisches Stück gesehen, als Teil einer politischen Debatte - und dass er da auf die Haltung stoßen würde, dass er viel zu links ist. Das ist überhaupt nicht passiert - er wurde vom Mainstream umarmt. Das habe ich nicht erwartet.

SZ: Angelegt haben Sie die Geschichte ja aber nicht politisch - sondern, da es Ihre eigene ist, ungeheuer persönlich.

Ari Folman: Man unterschätzt das Publikum trotzdem oft, das habe ich auch getan. Ich dachte wirklich, das persönliche Element werde nicht akzeptiert.

SZ: Als die Massaker von Sabra und Schatila passierten, bei denen die israelischen Soldaten nicht eingriffen - und um die es in "Waltz with Bashir" geht -, hat die israelische Öffentlichkeit aber auch sehr stark reagiert.

Ari Folman: Allerdings, die Reaktion in Israel war überwältigend - es gab riesige Demonstrationen, Sharon musste zurücktreten, die Generäle wurden entlassen. Aber das ist 25 Jahre her. Ich finde nicht, dass der Film nur von den Massakern handelt, das ist komplizierter.

SZ: Wussten Sie denn, als Sie mit dem Projekt begonnen haben, schon, dass Sie Zeichentrick daraus machen würden? Manches wäre ja sonst unmöglich zu bebildern gewesen.

Ari Folman: Das war mir von Anfang an klar. Ich hätte das ganze Projekt verworfen, wäre ich mit der Zeichentrickidee nicht durchgekommen. Ich glaube auch im Übrigen, dass Animation für Erwachsene eine großartige, wichtige und erfolgsträchtige Entwicklung des Kinos ist - ich verstehe eigentlich nicht, warum es so lange gedauert hat, bis solche Filme gemacht wurden. Anfangs hat auch an meinen Film keiner glauben wollen, außer in Israel. Ausländische Koproduzenten zu finden hat eine Weile gedauert. Als ich das Projekt in Toronto vorstellte, sagten 38 von 40 Produzenten: Warum denn Zeichentrick?

SZ: Sie selbst nennen "Waltz with Bashir" einen animierten Dokumentarfilm - haben Sie sich wirklich akribisch an die Fakten gehalten?

Ari Folman: Ich bin sehr nah dran an den Fakten geblieben. Ich musste zwei Schauspieler bitten, Figuren zu sprechen - die Geschichten hatte ich aber aufgeschrieben nach den Zeugenaussagen.

SZ: Sie verarbeiten dabei Ihre Therapie. Haben Sie tatsächlich diese Erinnerung in sich gefunden, die Sie belastet hat, an die Sie aber nicht herankamen?

Ari Folman: Das geht sehr langsam, man stellt Fragen, trifft sich mit Leuten, redet mit dem Therapeuten und denkt dann eine Woche über das Gespräch nach. Das hat nichts mit Amnesie zu tun, das funktioniert schon anders. Ich hatte lineare Erinnerungen mit schwarzen Löchern, die es zu füllen galt. Ich wollte zeigen, wie das funktioniert. Bei einem solchen Prozess im Inneren muss es ja nicht notwendigerweise um eine verdrängte Kriegserfahrung gehen. Ich denke, eine gescheiterte Liebesbeziehung, der Verlust von jemandem, der einem sehr nahestand, löst ganz ähnliche Mechanismen aus - jede Erfahrung, die das eigene Leben wirklich auf den Kopf stellt.

© SZ vom 6.11.2008/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: