Ihr nanntet mich Bruno:Love is in the Bear

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Ein Bär sagt Adieu: In der 7. Folge seiner Autobiografie verabschiedet Bruno sich von der Welt. Doch die ganz großen Genüsse stehen ihm noch bevor.

Christian Kortmann

Es war am nächsten Tag, glaube ich. Ich war guter Stimmung und dachte: Hunde weg, Jäger weg, endlich Ruhe und bald müsste ich ja wohl in der Schweiz sein. So trottete ich gemächlich bergauf.

Ich kam an einer Hütte vorbei, auf der Terrasse saßen Menschen und glotzten mich an. Dann kam ein Mensch aus der Hütte heraus gelaufen, wedelte wild mit den Armen und schrie Wörter, die ich nicht verstand. Die sind doch bescheuert, diese Höhlenscheißer. Benahm man sich so in der Schweiz? Da hatte mir mein Bruder aber anderes erzählt.

Ich ging lieber wieder schwimmen, unterhalb der Hütte sah ich schon den See. Herrlich kaltes Wasser, Kraul, Rücken, und dann war auch wieder der Hunger da. Es sollte ja klasse Murmeltier-Schmackofatz hier geben. Ich stieg aus dem Wasser, schüttelte den Pelz. Ach, es war herrlich, dachte ich, endlich in der Schweiz angekommen zu sein!

Da hörte ich einen Knall. Ich hörte, wie ein pfeifendes Geräusch schnell auf mich zukam. Ich wollte mich ducken und weglaufen.

Auf einmal spürte ich einen Schlag auf die Brust, keinen großen Schmerz, und ich konnte nicht mehr atmen.

Nicht weit entfernt sah ich zwei Männer in Loden. Hirschhornknöpfe. Sie hatten Gewehre. Jäger.

Dann wurde mir schwarz vor Augen.

Und dann war es ganz still.

Das war das Ende des wunderbaren Wanderbären.

Und am nächsten Morgen trank ich meinen ersten Honeyblaster.

Epilog im Bärenhimmel

"Und da hat das Auto dich getroffen?"

Bruno macht sich lang und streckt alle Viere im Whirlpool-See inmitten der idyllischsten Mischwaldlichtung des Bärenhimmels aus. Die vier Jungbärinnen reiben ihre Tatzen an seiner Schulter.

"Und da die Kugel", sagt Bruno und zeigt auf seine Brust, "der Schmerz zieht übrigens brutal nach unten."

"Bitte, erzähl uns nochmal deine Geschichte", flehen die Jungbärinnen.

"Wisst ihr", sagt Bruno, "das Geschichtenerzählen wird mir langsam zu anstrengend. Ich glaube, ich sollte meine Geschichte aufschreiben. Auf rosafarbenes Papier, mit Fotos von mir beim Schwimmen, die es in der Bärengedenkbibliothek gibt. Alle hier oben sollten meine Geschichte kennen. Schließlich ist Mama noch da draußen und hält das Erbe der Wanderbären hoch. Sie hat wieder zwei Kinder, wahrscheinlich Halbbrüder von mir, aus denen wunderbare Wanderbären werden könnten. Momentchen, ich zeig euch mal was..."

Bruno greift hinter sich und stellt sich dann ein geöffnetes Postpaket auf die Knie: "Ulf, der Wolf, war übrigens auch noch mal in Deutschland, hab auch keine Ahnung, warum. Natürlich haben die Deutschen ihn sofort umgenietet. Er hat mir aber ein paar Sachen mitgebracht, die gestern per DHL, dem Depeschen Hundeartigen Lieferservice, aus dem Wolfshimmel kamen. Hier: Das nennt man Bärchandising. Schon mal von gehört?"

"Nee", die vier Jungbärinnen schütteln den Kopf und die bunten Schleifchen. Bruno nimmt vier rote T-Shirts aus dem Paket, auf denen er in Schwarz im Stil des bekannten Che-Guevara-Portraits abgebildet ist.

"Das bin ich da vorne drauf", sagt Bruno und verteilt die T-Shirts an die Jungbärinnen: "Das haben Menschen gemacht, die mich mögen. Leider habe ich die nie getroffen. He, du", sagt er zur Jungbärin mit der hellblauen Schleife, die ihm am besten gefällt", du probierst mal das T-Shirt in Größe S an!"

Da sitzt Bruno nun im Whirlpool, bestens versorgt mit Honeyblaster-Cocktails, einer großen Schriftstellerkarriere entgegen blickend und umsorgt von vier Jungbärinnen in Bruno-Guevara-Bärchandising-T-Shirts.

So weit ist also alles wunderbar in Ordnung im Bärenhimmel, und es ist an der Zeit, dass wir uns zurückziehen. Die Sonne verschwindet schon hinter den Tannenzipfeln, ihre Strahlen brechen golden auf den Seen, und schließlich haben auch Bären ein Recht auf Privatleben.

Unsere metaphysischen Sehnsüchte kann der Bärenhimmel nicht stillen, aber wenn wir das nächste Mal lange in den Himmel blicken, vielleicht denken wir dann daran, dass es das gibt: etwas Anderes als uns.

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