Hollywood-Star:Adel verpflichtet

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Erst kürzlich wurde sie von der Queen ausgezeichnet, jetzt beehrt die britische Schauspielerin Emma Thompson das Filmfest. In München stellt sie ihren neuen Film "Kindeswohl" vor.

Von Patrick Heidmann

Als Emma Thompson Anfang Juni aus Anlass des Geburtstags der britischen Königin von selbiger der Titel Dame verliehen wurde, gab es nicht wenige, die sich verwundert fragten, ob der Schauspielerin diese Ehre nicht längst zuteil geworden wäre. Ein verständlicher Trugschluss, der sich - im kleineren Rahmen - nun noch einmal wiederholt, wenn Thompson am 29. Juni beim Filmfest den Cinemerit Award entgegen nimmt. Die Britin legt einfach schon so lange und regelmäßig preiswürdige Leinwandauftritte hin, dass man sich kaum vorstellen kann, es gäbe noch Auszeichnungen, die sie nicht längst bekommen hat. Sogar beim Weltwirtschaftsforum in Davos wurde sie für ihr ehrenamtliches Engagement gegen Hunger, Aids und Umweltzerstörung schon mit dem Crystal Award geehrt.

"Mich interessieren vor allem komplexe Figuren, mit möglichst vielen Abgründen und Facetten."

Dass Thompson eine Ausnahmeschauspielerin ist, beweist sie auch wieder mit ihrem neuen Film Kindeswohl, der in München im Anschluss an die Preisverleihung seine Deutschlandpremiere hat und von Ende August an regulär in den Kinos läuft. Sie spielt in der Verfilmung des Romans von Ian McEwan eine Jugendrichterin, die über das Leben eines Jugendlichen entscheiden muss, der aus religiösen Gründen eine dringend notwendige Behandlung verweigert. Eine Rolle ganz nach dem Geschmack der Britin, wie sie im Interview aus Anlass der Weltpremiere im vergangenen Herbst in Toronto betonte: "Mich interessieren vor allem komplexe Figuren, mit möglichst vielen Abgründen und Facetten. Das sind schließlich auch im echten Leben die spannendsten Menschen. Und diese von McEwan geschaffene Frau war nun ganz besonders faszinierend, schließlich steht sie vor einem ungewöhnlichen moralischen Dilemma."

Bereits im Studium blieb Thompsons Können kaum jemandem verborgen. Als Tochter zweier Schauspieler widmete sie sich Ende der Siebzigerjahre eigentlich der englischen Literatur, als sie der Sketch-Truppe der Universität beitrat. Der Spitzname, den ihr ihre heute selbst weltberühmten Kommilitonen Stephen Fry und Hugh Laurie damals verpassten, war ebenso schlicht wie treffend: Emma Talented. Die ersten Karriereschritte ging das Trio meistens gemeinsam, von Auftritten auf Comedybühnen bis hin zu ersten eigenen Fernsehshows. Bereits damals erkannte die heute 59-Jährige, dass ihr Talent nicht nur im Spielen, sondern auch im Schreiben liegt. "Als junge Frau gab es in diesen Sketchen für mich nicht wirklich genug zu tun", erinnert sich Thompson. "Meine wunderbaren Freunde schrieben zwar immer wieder tolle Sachen für mich, aber ich hatte stets das Gefühl, dass ich selbst noch eine andere Seite, eine ganz andere Erzählstimme würde finden können. Also begann ich, eigene Gags, Sketche und Monologe zu schreiben."

Im Kino, wo sie Ende der Achtzigerjahre ihren Einstand unter der Regie ihres ersten Ehemannes Kenneth Branagh in der Shakespeare-Verfilmung Henry V. gab, hielt sie es später nicht anders. Bis heute ist sie die einzige Person, die sowohl einen Oscar für Schauspiel als auch in der Drehbuch-Kategorie gewonnen hat: Ersteren erhielt sie 1992 für ihr nuanciertes Spiel im Historienfilm Wiedersehen in Howards End, drei Jahre später wurde sie für das kongeniale Drehbuch zur Jane Austen-Verfilmung Sinn und Sinnlichkeit ausgezeichnet, in der sie ebenfalls die Hauptrolle spielte. Beide Werke sind beim Filmfest noch einmal auf der großen Leinwand zu bewundern. Der Spagat zwischen dem Komischen und dem Dramatischen gelingt Thompson seit den Comedy-Anfangstagen spielend, nicht nur innerhalb eines Gesprächs (wovon sich auch das Münchner Publikum bei der Talkrunde "Filmmakers Live" wird überzeugen können), sondern auch in ihren Rollen. Als Krebspatientin in Wit kann sie genauso zu Tränen rühren wie sich mit Pierce Brosnan in Wie in alten Zeiten durch de Provence zu klamauken; die tragische Hauptrolle in Jeder stirbt für sich allein liegt ihr nicht ferner als komische Gastauftritte in Men in Black 3 oder Bridget Jones' Baby. Gerade war sie im britischen Fernsehen neben ihrem alten Wegbegleiter Anthony Hopkins in einer neuen Version von King Lear zu sehen. Junge Menschen spielen seit einigen Jahren eine besondere Rolle in der Arbeit von Thompson, deren Vater die britische Version der Kindersendung Das Zauberkarussell verantwortete. Nicht nur übernahm sie Auftritte als schrullige Lehrerin in den Harry Potter-Filmen, spielte in Saving Mr. Banks die "Mary Poppins"-Erfinderin P.L. Travers oder war als Sprecherin bei Zeichentrickfilmen wie Merida mit von der Partie. Sondern sie schrieb - offiziell beauftragt von den Erben Beatrix Potters - auch zwei neue Bücher der "Peter Hase"-Abenteuer. Und dann ist da natürlich noch Eine zauberhafte Nanny, ein weiterer selbst verfasster Kinofilm aus dem Jahr 2005 , der nun ebenfalls beim Filmfest gezeigt wird.

Den Film über das warzengesichtige, aber magische Kindermädchen McPhee schrieb Thompson in den Jahren nach der Geburt ihrer Tochter Gaia. "Nicht weil ich als Neu-Mutter unbedingt etwas für und über Kinder schreiben wollte", lacht die Schauspielerin, die mit ihrem Ehemann und Kollegen Greg Wise auch einen verwaisten Kindersoldaten aus Ruanda adoptierte. "Sondern weil sich das Schreiben damals so gut in meinen Alltag integrieren ließ. Die Schauspielerei trat für ein paar Jahre in den Hintergrund, weil ich keine Lust hatte, mich aus dem Familienleben auszuklinken. Aber mich mal zwischendurch an den Laptop setzen und am Drehbuch arbeiten, das ging gut!" Von der Nanny McPhee ist Thompson, die von sich sagt, sie könne selbst emotional aufwühlende Rollen meist recht problemlos hinter sich lassen, seither nicht mehr wirklich losgekommen. 2010 brachte sie eine Fortsetzung in die Kinos, auch eine Ballett-Version wurde in London schon auf die Bühne gebracht und nun entsteht sogar eine Musical-Version, die kommendes Jahr am West End und womöglich sogar am Broadway zu sehen sein soll. Die Inszenierung wird dabei, zum ersten Mal überhaupt, niemand anderes übernehmen als Thompson selbst. Gut möglich also, dass es nach Auszeichnungen für die Schauspielerin, Autorin und Aktivistin dann demnächst auch noch einen Regiepreis geben wird.

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Emma Thompson ist am Freitag, 29. Juni, 16 Uhr, bei Filmmakers Live in der Blackbox, Gasteig. Kostenlose Tickets online oder an den Festivalkassen

© SZ vom 28.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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