Hirokazu Kore-eda:"Eine Portion Wut"

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Blutsverwandtschaft ist doch schon längst überholt: Ein Gespräch mit dem Regisseur Hirokazu Kore-eda über Steven Spielberg, die emotionale Nähe zu Protagonisten und japanische Traditionen.

Interview von Patrick Heidmann

SZ: Familienbeziehungen waren schon in vielen Filmen Ihr Thema, nicht selten verbunden mit der Frage, ob familiäre Bande nur auf Blut und Biologie basieren. Warum beschäftigt Sie das so?

Hirokazu Kore-eda: Mir erscheint einfach die Vorstellung, dass nur eine Blutsverwandtschaft ausschlaggebend sein soll, ebenso überholt wie eindimensional. Dass es mehr gibt, was Familienbande ausmacht, hat mich erstmals bei "Like Father, Like Son" beschäftigt, und seither kreisen meine Gedanken immer wieder darum. In Japan wird die traditionelle Familie noch sehr hochgehalten, doch die Tatsache, dass es in den Städten längst eine überwältigende Zahl von Singlehaushalten gibt, zeigt ja, dass die Realität anders aussieht. Früher oder später muss unsere Gesellschaft auch andere Formen von Beziehungen und Zusammenleben fördern und akzeptieren.

Zu Ihren erklärten Vorbildern gehört Ken Loach, dessen Filme oft dezidiert politisch und wütend sind. Sie aber betonen, Sie wollten keine Vorwürfe erheben ...

Ich bewundere Ken Loach tatsächlich sehr und denke gar nicht, dass sich unser Kino so sehr unterscheidet. Die emotionale Nähe, die er zu seinen Protagonisten herstellt, hat mich sehr geprägt, genauso das Bedürfnis, dem Publikum etwas mitzugeben. Ich würde sagen, dass Loach seine Filme aus Empathie und Menschenliebe heraus dreht, immer getrieben von starken Gefühlen, zu denen natürlich auch die Wut gehört. Bei mir ist das genauso: Eine überzeugende Geschichte kann ich nur erzählen, wenn ich einen emotionalen Drang empfinde. Im Fall von "Shoplifters" kam da sicherlich auch eine Portion Wut mit ins Spiel. Ich habe nur vielleicht eine andere Art als Loach, meinen Anliegen Ausdruck zu verleihen.

Steven Spielberg war von "Like Father, Like Son" so beeindruckt, dass er ein amerikanisches Remake drehen wollte. Was wurde daraus?

Es wurde auf jeden Fall ein amerikanisches Drehbuch geschrieben, doch im Moment liegt das Projekt auf Eis. Wenn ich Spielberg richtig verstanden habe, gibt es durchaus noch die Chance, dass der Film irgendwann gedreht wird. Aber wohl nicht in nächster Zeit.

Aktuell drehen Sie in Paris, mit Juliette Binoche, Catherine Deneuve und Ethan Hawke. Haben Sie davon geträumt, einmal außerhalb Japans zu arbeiten?

Eigentlich nicht. Aber ich freue mich sehr, dass ich die Gelegenheit bekomme, es mal auszuprobieren.

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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