Hip-Hop-Mode:Nicht ohne meine Sneakers

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Rapper sind Trendsetter, ohne Frage. Mit Schiparka und Baggypants schreiben sie Modegeschichte. Die Ausstellung "Black Style Now" in New York dokumentiert erstmals den Siegeszug der Hip-Hop-Ästhetik.

Jonathan Fischer

Russell Simmons, Gründer der Plattenfirma Def Jam und einer der erfolgreichsten schwarzen Modeunternehmer, erinnert sich: "Als ich die erste Phat Farm Boutique in SoHo, Manhattan, eröffnete weigerten sich viele Passanten, meine Mode zu akzeptieren. Wie konnte jemand, der aus dem Ghetto kam, ansagen, was stilbewusste Amerikaner zu tragen hatten?"

Was der Rapper von heute trägt, ist vielleicht schon die Mode der Jugend von morgen. Jay-Z beim Konzert in Taipeh. (Foto: Foto: AP)

Das ist fünfzehn Jahre her. Heute liefern die Sozialwohnungsviertel längst die Vorgabe für das, was auf den Laufstegen der Reichen und Schönen getragen wird, gehören von Afroamerikanern entworfene Modelinien wie Phat Farm, Fubu oder Roc-a-wear zu den großen Gewinnern des Hip-Hop-Booms. Ein Siegeszug, dem sich jetzt die Ausstellung "Black Style Now" im Museum of The City Of New York widmet. Untertitel: "Hip-Hop style and the black fashion revolution".

Wie schwarz ist Gucci?

Wobei die recht übersichtliche Schau auch die Vorläufer der Hip-Hop-Ära streift: Ein paar sepia-getönte Fotografien schwarzer Celebrities der dreißiger Jahre, Werbeanzeigen für Hautbleicher aus den Fünfzigern und die Black-And-Proud-Symbole der späten Sechziger veranschaulichen das Vorspiel zur Explosion schwarzer Straßenästhetik in den siebziger und achtziger Jahren.

Da ist zum Beispiel LL Cool Js weiß-rote Lederkappe mit Namenseinsatz zu sehen. Schwarze Schaufensterpuppen tragen Trainingsanzüge, überdimensionierte Parkas, Ledermedaillons und schiffstaudicke Goldketten. Eine Wand ist wie ein Quilt mit bedruckten T-Shirts gemustert.

Übernimmt man die Ausstellungs-These, dass schwarzer Stil essenziell Hip-Hop ist, dann lassen sich hier einige der Urmeter einer global gewordenen Kultur bestaunen, deren Standards amerikanische Bekleidungsketten, Textilfabriken in China und T-Shirt-Stände in Südafrika gleichermaßen beeinflussen.

Doch rebellierten die Pioniere der HipHop-Kultur nicht gerade gegen den Terror der Uniformität? Inner City Kids, die sich über ihre Mode einzigartige Identitäten konstruierten, von der Stange gekaufte Kleidung abänderten oder diese auf ganz neue Weise kombinierten. Im Gefolge des Hip-Hop erreichte die Ghetto-Ästhetik vor drei Jahrzehnten erstmals die hippen Designerläden in Manhattans 7th Avenue. Und stellte die hierarchisch organisierte Modewelt auf den Kopf.

Zuerst war es nur B-Boy-Mode: Fusselige Kangol-Hüte, Cazal-Brillen, die auch ohne Gläser getragen wurden, dicksohlige Sneakers mit breiten Schuhbändern. Dann liefen bei MTV die ersten Rap-Videos. Und ein Outfit, das etwa eine unbekannte Rapband aus Queens trug, konnte innerhalb weniger Wochen, zur nationalen, nein internationalen Mode avancieren.

So etwa geschehen mit Run DMC, Adidas und dem daraus folgenden Werbevertrag zwischen beiden: "Wer täglich um sein Überleben kämpfen muss", erklärt Russell Simmons, "hat ein Gespür für künftige Trends. Die Schwarzen aus den Armenvierteln bauen immer neue Marken auf. Wir haben zum Beispiel Tommy Hilfiger groß gemacht. Wenn ich schon die Yacht des Typen aus der Hilfiger-Anzeige nicht kaufen konnte, wollte ich wenigstens so aussehen, als ob."

Vermittlung "schwarzer Coolness" an weiße Konsumenten

Kurioserweise sucht man den weißen Hip-Hop-Modemacher Hilfiger in der Ausstellung vergebens. Was ist also das "schwarze" am schwarzen Stil? Gehören auch die so gern in Hip-Hop-Songs zitierten Edelmarken Dolce&Gabbana, Versace und Gucci zum "Black Style"? Fällt eine Kleidungslinie in das Genre, wenn ihre Designer schwarz sind?

Und was ist mit den Afroamerikanern, die sich - mit mäßigem Erfolg - in der Welt der Haute Couture bemühen? Deren Abendkleider und traditionellen Kostüme jedenfalls mögen nicht recht in das Konzept der Ausstellung passen. Wer kennt schon Designer wie Renaldo Bernette oder Stephen Burrows?

Die Namen von Hip-Hop-Marken wie Phat Farm dagegen kann der amerikanische Durchschnitts-Jugendliche im Schlaf aufsagen: 78 Prozent aller weißen US-Teenager finden Baggy Pants - also Hosen, deren Schritt zwischen den Knien hängt - "in". Und auch wenn die einschlägigen Marken nur selten mit weißen Gesichtern werben: Die Vermittlung "schwarzer Coolness" an weiße Konsumenten ist zum Kerngeschäft des Hip-Hop geworden.

Die Ausstellung jedoch umgeht solche Schwarz-Weiß-Kontroversen. Der Modedesigner Michael McCollum, der mit dem Historiker Michael Henry Adams "Black Style Now" kuratiert, sagt: "Wir betrachten schwarzen Stil nicht nur als Mode sondern als ein Lebensgefühl. Da geht es nicht nur um Design, dahinter steckt vielmehr eine Haltung".

Haltung, attitude: Sie birgt einen der Schlüssel zum Verständnis der Schau. Zumindest ein paar Hip-Hop-Videos bringen die Mode in Bewegung. Mit korrekt federndem Schlurfschritt, wissendem Blick, Rebellenpose.

Im Schiparka auf der Tanzfläche

Als cool galt in der Hip-Hop-Frühzeit etwa jemand, der eine volle Tanzfläche im Schiparka mit Pelzbesatz betrat. Ähnlich unkonventionell vermarktete sich die "Gangsta Mystique": Aufstrebende schwarze Modemacher verteilten ihre Kleidung kostenlos an Ghettogrößen und Zuhälter - durch akzentuierte Straßenattitüde wollte man sich von weißen Mainstream-Marken wie Hilfiger absetzen. Mit gürtellosen Baggy Pants etwa, wie sie im Gefängnis getragen wurden, und ungeschnürten Sneakers. Je riskanter, desto besser.

Am Ende bleibt die Frage, ob eine Ausstellung den gelebten Hip-Hop auf der Straße überhaupt abbilden kann. Wenn aus den Bentleys in der 7th Avenue weiße Teenager in Baggy Pants steigen, Geschäftsleute ihren Anzug ganz selbstverständlich mit Sneakers von P. Diddys Marke "Sean John" kombinieren und der neue "Air Jordan" in den Läden Harlems mit einer Inbrunst erwartet wird, als stünde die Rückkehr des Messias bevor, muss es niemand wundern, dass die Hip-Hop-Museumsshow etwas blutleer wirkt. Haltungen lassen sich nun mal schlecht ausstellen.

"Ich habe mein ganzes Leben lang nie schmutzige Sneaker getragen", sagt Russell Simmons. "Da wo ich herkomme, duldet man keine schlampige Kleidung. Weil wir Ghetto-Bewohner unser Leben als Kampf sehen." Oder in den Worten seines früheren Schützlings LL Cool J: "It's not what you fuckin' wear. It's how you wear it."

© SZ vom 24.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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