Hertzkammer:Web und wirklich

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Emilie Gendron und ihre "Munich Again"-Nächte

Von Rita Argauer

Dass Tagebücher eine private Sache waren und mit kleinen goldenen Schlössern vor der Außenwelt versperrt wurden, ist lange her. So viel Intimität ist heutzutage nicht mehr cool. Denn auch die Romantik ist nur dann angesagt, wenn es möglichst viele Menschen mitbekommen, weshalb sich tatsächlich das Groß-Phänomen des öffentlichen Tagebuchschreibens in Form von Blogs etablieren konnte. Irgendwann entwickelten sich diese Blogs dann vom Abbild der intimen Befindlichkeiten der Schreiber hin zu einem Abbild der kulturellen, politischen oder weltanschauungsgefärbten Befindlichkeiten der jeweiligen Verfasser. Ein journalistisches Para-Medium sozusagen, für das die sowieso schon schwer zu ziehende Grenze zwischen Subjektivität und Objektivität kein große Rolle mehr spielt. Bei Blogs, die sich um das Münchner Kulturleben drehen, ist das allerdings amüsant.

Etwa "Munich Again". Da berichtete die Kanadierin Emilie Gendron mit größter Sorgfalt und beeindruckender Regelmäßigkeit über eine ganz bestimmte, eng gezirkelte Musikszene in München. Von Montreal aus. Mittlerweile ist Gendron jedoch selbst nach München gezogen. Und als ihr Sehnsuchtsort für sie zum Wohnort wurde, wurde auch der Blog zur Realität. In der Roten Sonne veranstaltet sie seit Anfang des Jahres jeden Donnerstag "Munich Again"-Nächte. In dieser Woche hat sie das Eshna-Tron-Soundsystem, namentlich Peter Arun Pfaff und Didi Neidhart eingeladen. Die begutachten in reduziert dahinschippernden Beats und Klacker-Geräuschen konstruierte und reale, musikalische und visuelle Kolonisationsvorgänge. Ganz indirekt passt das natürlich auch wieder zum Blog, der aus dem Internet heraus reale Plätze kolonisiert. Auch das mehr im Hip-Hop- und Indie-Spektrum angesiedelte Blog-Gemeinschaftsprojekt "Munich Open Minded" inkarniert sich regelmäßig in Club-Abenden. Buson, Blogger der Munich Open Minded Crew, ist auch DJ. Doch hier ist das kein Doppelberuf, Bloggen und Auflegen gehören zusammen zu seinem Berufsprofil. Buson legt Hip-Hop- und Soul-verliebt auf, bis seine Sets in synthielastige Tanzvorlagen kippen. Über ähnliche Musik und dazugehörige Veranstaltungen berichtet er auch auf seinem Blog.

Mit solchen Veranstaltungen wird das Internet ein Stück Realität und die Subjektivität zur Wahrheit. Im Kulturleben ist das aber lange nicht so gefährlich wie in der Politik oder gar im Ideologischen. Sondern eigentlich auch ganz interessant. Denn bei solchen Veranstaltungen kann der ganze im Internet zusammengesuchte Lifestyle real ausgelebt werden.

Munich Again, Do., 16. Feb., 22 Uhr, Rote Sonne, Maximilinsplatz 5, Buson, Fr., 17. Feb., 22 Uhr, Tam Tam Tanzlokal, Falckenberstraße 1

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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