Hertzkammer:Organisch und maschinell

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Die koreanische Klangkünstlerin Yen Tzu Chang im Einstein

Von Rita Argauer

Popmusik erschließt sich, vor allem wenn sie stilistisch in gewisse Extreme hängt, meist nur einer bestimmten Hörerschaft. Bei allen anderen herrscht für das neue Musik-Phänomen dann Unverständnis, das gehört zur Genese der Musik dazu, wie der Beat und die Töne. Doch es gibt immer mal wieder Erklärungsversuche für die, denen sich die neue Musik nicht unmittelbar erschließt. Die Sängerinnen der Riot-Grrrl-Bands etwa brüllten wie am Spieß. Ein Bezug zur Urschrei-Theorie und dem befreienden ersten Schrei des Kinds nach der Geburt ist schnell gezogen. Bei der elektronischen Musik gehen die Erklärungsversuche sogar in den pränatalen Bereich: Die dumpfe und monotone Rhythmik könnten den geneigten Hörer an das Geschütztsein im Mutterleib samt dem ewig schlagenden Herzen der Mutter erinnern.

Die taiwanische Klang- und Medienkünstlerin Yen Tzu Chang wird in ihrer Performance "Whose Scalpel", die sie nun zur 16. Ausgabe des experimentellen Video- und Musikfestival "Frameless" aufführen wird, diesen Gedanken visualisieren. Mit Hilfe eines MRTs hat die Künstlerin, die seit 2014 in Linz lebt, ein überdimensioniertes Modell ihres eigenen Herzens herstellen lassen, mit dem sie den Dialog zwischen Organischem und Maschinellem sucht. Dabei bezieht sie sich sowohl auf die Möglichkeiten der modernen Medizin, die über künstliche Intelligenz und Big Data ganz neue Horizonte erreicht. Andererseits stellt das Herz als Organ gleichzeitig die stärkste Metapher für alles dar, was mit der nicht-intellektuellen Auffassung der Künste und des Lebens zu tun hat.

Fast wie eine einfach zu begreifende klassische Band wirkt dagegen das Berliner Ensemble Gamut Inc. In München sah man die zuletzt in zeitgenössischen Musiktheater-Produktionen, etwa einer Neuinterpretation von Schuberts "Winterreise" oder bei "This is not a Swan Song" im Schwere Reiter. Bei Frameless steht nun jedoch die eigene Musik des Danziger Komponisten Maciej Śledziecki und der Berliner Computermusikerin Marion Wöhrle im Fokus. Auf teils selbstgebauten Instrumenten werden die Strukturen barocker Musik mit den Mechanismen digitaler Musik verknüpft - düster, industriell und gleichsam filigran.

Frameless 16 ; Dienstag, 10. April, 19.30 Uhr, MUG im Einstein, Einsteinstraße 42

© SZ vom 05.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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