Hertzkammer:Gefühl für Geisternoten

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Die "Afrovisions"-Partys mischen München auf

Von Rita Argauer, München

In dieser Woche beginnen die Afrika-Tage auf der Theresienwiese. Der Platz, auf dem im Herbst traditionell Bier und Blasmusik zum Massenspektakel werden, bekommt hier ein weiteres Volksfest, das aber die Traditionen einer anderen Kultur zeigt. Die Veranstaltungsgruppe "Afrovisions" aus München ist so etwas wie das subkulturelle und vielleicht auch ein wenig authentischere Pendant dazu. Als eine Art Dachverband für all die Menschen, die sich für urbane und moderne afrikanische Musik interessieren, fand sich das Kollektiv vor einigen Jahren im Import-Export zusammen, das damals noch in der Goethestraße war. Dort veranstaltete man Konzerte afrikanischer Bands und DJ-Sets, bei denen der Afro-Beat und Funk aus den Sechziger- und Siebzigerjahren genauso auf den Plattentellern landete wie aktueller Elektro- und Dance-Sound aus Afrika.

Eigentlich hat München sowieso einen ganzjährigen Afrika-Bezug, zumindest im Underground, insbesondere durch das Label "Out Here Records". Die beiden Chefs Georg Milz und Jay Rutledge sind seit nunmehr zehn Jahren zuverlässige Entdecker von Musik, die man Kwaito, Bongoflava oder Coupe Decalle nennt. Regelmäßig bereisen sie den Kontinent und machen Musik für ein westliches Publikum zugänglich, die sonst den Weg schwerlich hierher finden würde. Die Rhythmik afrikanischer Musiktradition ist weit entfernt von den Dreier- und Vierertakten, mit denen man als Westeuropäer so aufwächst. Da wird synkopiert, da gibt es Zwischenschläge, Ghost-Notes und Mikrorhythmen, die innerhalb des metrischen Zählsystems, das man hier in Musikschulen lernt, ausgesprochen kompliziert bis unspielbar erscheinen. Doch wenn sie erklingen, funktioniert der Groove auf körperlicher Ebene sofort. Afrikanische Musik beeinflusst seit jeher das, was in der westlichen Welt als Popmusik bezeichnet wird. Soul und Funk natürlich, aber auch Hip-Hop-Beats haben rhythmisch ihren Ursprung in jenen Synkopen. Doch Georgs Milz' Hauptinteresse liegt auf dem Klang des zeitgenössischen Pop-Afrika. Als DJ nennt er sich Daladala. Daladala heißen die Busse in Ostafrika. Und darin läuft die Musik, die Milz auf "Out Here Records" veröffentlicht und als DJ auflegt - unter anderem auch bei den "Afrovisions"-Partys.

Die nächste findet in einer neuen Bar in Haidhausen statt, die auf den Namen "Polka" hört, weshalb man die Veranstaltung gleich mal "Afrovisions goes Polka" genannt hat. Doch auf die wechselnd-hüpfenden Zweiertakte des traditionellen Volkstanzes wird man dort vergeblich warten. Vielmehr werden die "Afrovisions"-Residents Karl Hector und Norton East den Abend eröffnen, bevor Ernesto Chahoud alias DJ Spindle aus Beirut Vinyl-Raritäten aus dem Libanon mit Afro-Beats mischt. Der ist auch auf dem zweiten Teil der Compilation "Beyond Addis" vertreten, die dieser Tage erscheint. Auf dem Münchner Label Trikont.

Afrovisions goes Polka, Donnerstag, 2. Juni, 22 Uhr, Polka, Pariser Str. 38

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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