Hertzkammer:Fürstinnen der Finsternis

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Avantgarde-Pop und DJs in den Kammerspielen

Von Sabine Gietzelt

"Ritournelle" ist eine regelmäßige Veranstaltung, die die Wiederkehr des eher anspruchsvollen als des genügsamen Musikgeschmacks verfolgt. Performer und DJs machen hier ihr Ding zum Wohlgefallen. Es darf dabei getanzt, geschaut und gegrübelt werden - und dieses Mal auch: ein wenig angenehm gegruselt. Wie bei Jenny Hval zum Beispiel. Sie kommt aus Norwegen und macht das Gegenteil von wohlgefälliger Popmusik. Es wirkt fast ein wenig unheimlich, wenn sie mit ihrer zarten Stimme dröhnende und wuchtige Soundberge durchschneidet. Nebenbei erzeugt sie den Eindruck, Glas zum Zerspringen zu bringen wäre ihre leichteste Übung überhaupt. Eine höchst ungewöhnliche Künstlerin ist hier zu erleben.

Dabei geht es durchaus noch finsterer: Gazelle Twin, die zweite große Fürstin der Finsternis an diesem Abend thematisiert Fleisch, Blut, den Körper und seine Verwandlungen auf drastische und sehr anschauliche Art. Ihre Vorstellung davon, "unpassend" zu sein, setzt sie mit Masken und Verkleidung um. Ein wichtiges Requisit war bislang eine über den Kopf gezogene Seidenstrumpfhose. Die Musik hämmert industriell, und ihre heiser inszenierte Stimme liefert noch ein paar geisterhafte Eindrücke mehr dazu.

Auch Vatican Shadow würde dort gut hinpassen. Mal lässt der amerikanische Multimediakünstler aus Wisconsin flächige, sphärische Tracks für Freunde des introvertiert Vor-sich-hin-Tanzens los, dann gibt er sparsame Beats vor und benennt seine Arbeiten mit provokanten Titeln. Sein "Kneel Before Religious Icons" benanntes Album steht noch vergleichsweise harmlos da. Die Platte vom vergangenen Jahr hieß "Media In The Service Of Terror". Demdike Stare sind weniger düster, aber dennoch experimentell genug, um trotz ihrer Popularität bei Connaisseuren den Mainstream aus weiter Ferne zu grüßen.

Wie immer hat man in den Kammerspielen die Devise ausgegeben: Sitze raus, Bewegung rein. Bis in den frühen Morgen lässt "Ritournelle" seinen sehr ausgefallenen Akteuren in dieser Nacht Zeit. Interessanter kann man sich ein Programm kaum wünschen, und mit dem alten Helden Superpitcher und dem jungen Techno-Trio Fjaak wird es sowieso wieder sehr schnell hell werden.

Ritournelle , Samstag, 4. Februar, 21 bis 6 Uhr, Kammerspiele, Maximilianstraße 26-28

© SZ vom 02.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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