Hertzkammer:Der Stalker

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Der Berliner DJ Alex.Do benutzt diesen Begriff etwas anders

Von Rita Argauer

Die Zone ist unwirtlich, gleichsam faszinierend und irgendwie endlos. Doch das Gelände, das der sowjetische Regisseur Andrei Tarkowski 1979 im Film "Stalker" als eben diese Zone bebilderte, ist eigentlich ziemlich unspektakulär. Etwas ungebändigte Natur und ein paar Sümpfe und Wiesen, aber nichts, was die Faszination dafür rein bildnerisch rechtfertigen würde. Dafür braucht es den "Stalker", den Wegweiser, der nicht nur die Wege durch dieses Gelände kennt, sondern auch die Geschichten, die das Gelände in die Zone verwandeln, in deren Mitte irgendwo der seltsame "Raum der Wünsche" versteckt ist. Eine Geschichte, die sich in unfassbar langsam und sich immer tiefer schraubenden Psychologisierungsschleifen erzählt.

Mit ganz ähnlichen Dramaturgien arbeiten auch viele DJ-Sets. Der Aufbau der Musik ist langsam und monoton, die Spannung erschließt sich erst, wenn man nicht mehr nach ihr sucht und sie nicht mehr erwartet. Der 23-jährigen Berliner DJ Alex.Do hat diese suggestiven Spannungsschleifen auf seiner ersten EP, die er sinnigerweise "Stalker" genannt hat, perfektioniert. Ähnlich dem Stalker in Tarkowskis Film führt der Musiker seinen Hörer darauf durch eine eigentlich unspektakuläre, ja fast zurückhaltende Klanglandschaft, deren Abgründe, Tiefen und Meta-Ebenen nebenbei, quasi am Wegesrand entstehen. Trocken und synthetisch sind seine Beats, kühl und depressiv die Melodie-Schnipsel darauf, die er über drei Tracks zur harmonisch reichen Katharsis führt. "Investigation", "Desire" und "Conversion" heißen diese drei Abschnitte, die sich als Dub-, Techno- und House-Zonen-Erkundung entpuppen, deren fülliges akkordreich-pumpendes Ende zu einem pathetischen und gleichzeitig auch steril-konstruiertem Heilsversprechen wird. Denn Alex.Do zeigt mit seiner Musik, dass er ebenso wie Tarkowskis Stalker weiß: Die märchenhafte Wunscherfüllung kann nicht das Ziel sein. Die menschliche Psyche aber lebt ebenso wie der Techno am besten, wenn sie sich auf einem Gleichgewicht zwischen Streben und Akzeptanz einpendelt.

Die Nacht, in der Alex.Do nun also in der Roten Sonne durch die Zone führen wird, wird dabei von einer Tellerwäscher-Millionärs-Utopie eröffnet, die nicht recht zur sorgsam konstruierten Suggestion des Hauptacts passen will. Doch die Münchnerin Petra Weigart zeigt einen wunderbaren Gegenentwurf zum Schwebezustand des Stalkers. Als Barkeeperin arbeitet sie eigentlich in der Roten Sonne, seit dem vergangenem Januar aber tritt sie unter dem Namen P-T2 auch als DJ auf, hat nebenbei das Label Tuesday Slump gegründet und verbreitet nun ganz reelle Aufbruchstimmung.

Alex.Do und P-T2, Freitag, 21. August, 23 Uhr, Rote Sonne, Maximiliansplatz 5

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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