Hera Lind: "Voll im Leben":Unfreiwillig komisch

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Hera Lind hat es wieder getan: Sie hat ein Buch geschrieben, das Frauen Mut machen soll. Nun rückt sie dem Alten Testament zuleibe. Die Bibel in der Kitsch-Falle.

Verena Mayer

Um Hera Lind, die Autorin vom "Superweib" und der "Champagner-Diät", ist es in letzter Zeit ziemlich still geworden. Sieht man einmal von der Teilnahme an einer Tanzshow im Fernsehen ab, was insofern traurig war, als einem wieder bewusst wurde, wie schwierig es ist, in Würde älter zu werden. Man fühlte dabei ungefähr das Gegenteil von dem, was Hera Linds neues Buch verspricht: "Voll im Leben", Untertitel: "Geschichten zum Mutmachen".

Fünfzehn Stellen aus der Bibel werden in dem schmalen Band "neu erzählt", wie es standardformelhaft auf dem Umschlag heißt. Die Auswahl der Geschichten, die Hera Lind "mit ganz anderen Augen" sieht und "sozusagen noch einmal verstanden" hat, konzentriert sich zwangsläufig auf Beziehungsgeschichten mit Superweib-Faktor. Als Mutmacher aus dem Alten und Neuen Testament rücken ins Blickfeld: Adam und Eva, Ruth und Boas, David und Bathseba oder eine bisher wenig populäre Lydia.

Ihr sei beim Lesen der Bibel klar geworden, dass "viele unserer heutigen Sorgen, Ängste, Unzulänglichkeiten und Nöte weder neu sind, noch ausgerechnet 'immer nur mir' passieren", schreibt die Autorin im Vorwort. "Im Gegenteil: Sie sind nämlich . . . sehr, sehr menschlich." Und so zeichnet Lind ihre Bibelfiguren, als würden sie im Garten nebenan an der Hecke stehen.

Sie können nicht immer so, wie sie wollen ("Wenn also Maria einmal still und verschlossen war und über Stunden kein Wort über ihre Lippen kam, dann wusste Josef, dass etwas nicht stimmte."), sie haben, nun ja, Probleme ("Lot kämpfte noch immer mit den Tränen."), oder die Verwandtschaft schneit herein ("Und Ruth liebte ihre Schwiegermutter so sehr, dass sie beschloss, mit ihr zu gehen. Schließlich waren sie ja jetzt beide Witwen").

All das kommt daher in diesem typischen Lind-Sound des verkitschten Allgemeinplatzes, den man an Füllwörtern wie "sozusagen" und "irgendwie" erkennt beziehungsweise an den bedeutungsschwangeren Pünktchen an jedem dritten Satzende. "Sie sahen beide nicht so aus, als hätten sie in ihrem Leben noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Kein Wunder, wenn sie beide aus Sodom stammten..." Es gibt die Bibel als Comic, in Fassungen für Kinder und in allen möglichen Dialekten. Hier ist, was die Alten sungen, nun für jene aufgeschrieben, die Geschichten lieben, wie sie das Leben schrieb.

Das berühmteste Liebespaar

Mit Geschichten, wie sie das Leben schrieb, hat es Hera Lind zur Koryphäe ihres Fachs gebracht, ihre Bücher sind Standardwerke des Von-Frau-zu-Frau-Genres. Für ihr neues Buch hat Hera Lind ihr Repertoire erweitert, "Voll im Leben" ist klassische Erbauungsliteratur. Das Religiöse wird so aufbereitet, dass sich jeder wiederfinden kann.

Bei Lind ist die Urmutter ein Frauenschicksal, und der erste Mensch auch nur ein Mann. "Auf seltsame Weise fühlte sich Adam ertappt, überführt, fast schon zurechtgewiesen. Sah er die Dinge doch zu einfach an? Dass Eva damals geschwiegen hatte, war ihm eigentlich ganz angenehm gewesen. Andererseits war die Vertreibung aus dem Paradies immer irgendwie tabu gewesen zwischen den beiden."

Wo die Bibel an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt, dort baut Hera Lind noch ein "seelisches Geländer" an, wie es im Vorwort heißt, eine Gehhilfe für alle Gedankenlahmen. Auf jedes Kapitel folgt eine Art Deutung, ein paar Seiten in kursiver Schrift, versehen mit einem Bibelzitat.

Vom Tonfall her zwischen Ratgeberecke und dem, was einem Landpfarrer sonntags zur Predigt einfällt, changierend, klopft Hera Lind die jeweilige Bibelstelle gründlich in Sachen Mutmachen ab. Adam und Eva werden etwa "das berühmteste Liebespaar der Welt" genannt und sind für Hera Lind ein Beispiel dafür, dass eine Beziehung "immer Arbeit" ist. "Wer sich einer echten Prüfung stellt, sich auf sie einlässt, der wird an ihr wachsen. Adam und Eva haben sich dieser Herausforderung gestellt. Sie blieben zusammen."

Im Kommentar zu Lot findet sich der schöne Satz: "Hinterher ist man immer schlauer." Man muss dabei sofort an Monty Pythons "Das Leben des Brian" denken und die Szene, in der ein Verurteilter am Kreuz "Always look on the bright side of life" singt.

Überhaupt ist der Anteil unfreiwilliger Komik in "Voll im Leben" außerordentlich hoch. Bei Hera Lind sitzt Adam mit Abel beim Angeln und redet sich den Sündenfall schön: "Schau, deine Mutter und ich, wir leben jetzt schon mehr als 20 Jahre zusammen. Da hat man viel Gutes gemeinsam auf die Beine gestellt, aber auch viele Fehler zusammen gemacht." Stimmt ja auch, irgendwie.

Und wenn Hera Lind ihren Adam feststellen lässt, dass Kain "in letzter Zeit so abweisend geworden ist", rücken die Stammeltern der Menschheit fast schon in die Nähe der Addams Family. Das Kapitel "Adam und Eva" trägt übrigens das Motto "In guten wie in schlechten Zeiten". Diese Art von Deutungsarbeit ist zumindest ausbaufähig: Arche Noah - Ich bin dann mal weg, Die Apokalypse - Scheitern als Chance, Maria Magdalena - Liebeskummer lohnt sich nicht, my Darling.

HERA LIND: Voll im Leben. Geschichten zum Mutmachen. Gütersloher Verlagshaus, München 2007. 223 Seiten, 14,95 Euro.

© SZ vom 4.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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