Heimatlos:Senza Casa

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Italienische Literaturfreunde verlassen das Kulturinstitut

Von Sabine Reithmaier, München

Sieht ganz so aus, als müssten sich die "incontri di letteratura spontanea" ein neues Quartier suchen. Das italienische Kulturinstitut an der Hermann-Schmid-Straße, in dem sich die Freunde der spontanen Literatur seit 16 Jahren treffen, will die private Initiative nur mehr beherbergen, wenn sie sich in einen Verein umwandelt. Das aber will der Literaturkreis nicht, weil das starre Konstrukt eines Vereins dem spontanen Konzept der Gruppe widerspricht.

Geleitet wird der Kreis von Giulio Bailetti, einem Italiener, den es 1983 nach München zog. In Rom hatte er Jura studiert und als Notar gearbeitet, hier organisierte er Sprachferien und unterrichtete. Vor 16 Jahren entwickelte er mit der damaligen Direktorin des Kulturinstituts das Konzept der "incontri di letteratura spontanea". Seither trafen sich einmal im Monat an einem Freitag Italiener und Deutsche aus ganz unterschiedlichen Schichten. Ärzte sind dabei, aber auch Handwerker, Lehrerinnen, Musiker. Jeder, der Lust hat, kann bei den Treffen etwas vortragen, einen selbst verfassten Prosatext oder ein eigenes Gedicht genauso wie einen fremden Text, über den er mit den anderen reden möchte. Alles auf Italienisch natürlich. Die Teilnahme kostet nichts, Bailetti arbeitet ehrenamtlich.

Kurz vor Weihnachten erhielt er die Nachricht, die Gruppe dürfe nicht weiter im Institut tagen. Der Grund: Man müsse Geld und Personal einsparen, es gebe auch keinen Hausmeister mehr. Francesco Ziosi, seit einem Jahr Geschäftsführer des Instituts, bestätigte dies. "Wir haben seit zwei Monaten in dem Gebäudeflügel keinen Sicherheits- und Kontrollservice mehr", teilte er mit. Da es sich bei der Gruppe um eine private Initiative handle, könne der Schließservice nicht vom Institutspersonal als Überstundenleistung übernommen werden. "Im Augenblick ist das Institut lediglich in der Lage, die eigenen Veranstaltungen abzuhalten", schrieb Ziosi.

Die Gruppe fand die Einsparungsstrategie seltsam und nicht nachvollziehbar. In diversen Protestbriefen mutmaßten einzelne Mitglieder, dass das Institut künftig ein Programm der "großen Namen" bevorzugen würde, um Einnahmen zu erzielen und prestigeträchtig zu renommieren. Andere erinnerten daran, dass die Gruppe nicht einfach nur Benutzer eines Raumes gewesen sei, sondern das italienische Leben in München und auch das Bild des Institutes in der Öffentlichkeit wesentlich mitgestaltet habe. Der Literaturkreis sei längst für viele Italiener ein Stück Heimat, für viele Deutsche ein wertvoller Ort der Begegnung mit italienischen Menschen, deren Sprache und Kultur.

Vergeblich. In einem Gespräch hat Ziosi Bailetti inzwischen vorgeschlagen, einen Verein zu gründen. Damit könne man der Gruppe die Räume zu den gleichen Bedingungen zur Verfügung stellen wie anderen Vereinen. Für den zweistündigen Besuch wären jedes Monat 50 Euro zu entrichten, außerdem sei eine Unfallversicherung abzuschließen. Bailetti wäre dazu sogar bereit gewesen. Die Gruppe aber lehnte diesen Schritt ab. Also schrieb Bailetti nochmals an Ziosi. "Wir sehen uns gezwungen, einen neuen Platz zu suchen, der mehr unseren Vorstellungen entspricht, die wir seit langer Zeit verfolgt haben und womit wir auch fortfahren wollen."

Anscheinend wundert man sich auch in Italien über die Sparversuche des Instituts: Am vergangenen Samstag jedenfalls nahm sich die Zeitung La Repubblica ausgiebig des Themas an.

© SZ vom 22.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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