Gurlitt-Nachlass:Teures Erbe

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Großes Aufsehen erregte die Präsentation der Bilder aus dem Gurlitt-Erbe am Freitag in Bern. Der Zoll hatte sie einige Tage festgehalten. (Foto: Valeriano di Domenico/afp)

Die Bilder sind jetzt in Bern. Doch Experten fragen: Verzichtete der Freistaat Bayern womöglich auf hohe Einnahmen aus der Erbschaftsteuer?

Von Susanne Hermanski

Die Bilder aus dem Nachlass des Schwabingers Cornelius Gurlitt sind seit Freitag in Bern. Das dortige Kunstmuseum war von ihm als Erbe seiner Bilder eingesetzt worden. Man könnte denken, dass damit zumindest der Erbstreit um den spektakulären Kunstfund beigelegt ist und alle Unklarheiten beseitigt sind. Doch das Gegenteil ist der Fall, ein neuer Verdacht steht im Raum: Hätten die Berner nicht Erbschaftssteuer für den millionenschweren Nachlass an den deutschen Fiskus zahlen müssen? Davon überzeugt ist zumindest der auf Kunstfragen spezialisierte Jurist Hannes Hartung. Auch wenn das Berner Museum eine Stiftung sei, sagt Hartung: "Steuerbegünstigt sind nur Stiftungen innerhalb der EU" - und die Schweiz ist nicht EU-Mitglied. Deshalb wirft der Anwalt den bayerischen Behörden Versäumnisse vor.

Hannes Hartung ist schon lange mit dem Fall Gurlitt befasst, er war der erste Anwalt, der den alten Herrn seinerzeit im Rechtsstreit mit der Staatsanwaltschaft Augsburg vertreten hat. Die Staatsanwaltschaft hatte die Beschlagnahme der Bilder in Gurlitts Schwabinger Wohnung veranlasst. Der Jurist spekuliert über die Höhe der möglichen Erbschaftssteuer, die sich der Freistaat Bayern nun anscheinend entgehen lässt. Fachleute wie Bernhard Maaz, der Direktor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, sagen zwar: "Das ist keine Sammlung, das ist nur der Bodensatz einer ehemaligen Kunsthandlung". Doch taxierte man die Bilder für den Kunsthandel, es würde ein erkleckliches Sümmchen zusammenkommen. Hartung spricht von 120 Millionen Euro. Er begründet die Summe damit, dass einzelne Schlüsselwerke mindestens zehn Millionen Euro wert seien. "Allein in dem Teil, der aus Gurlitt Salzburger Wohnung stammt, befindet sich die ,Waterloo Bridge im Nebel' von Claude Monet (1903), das ,Seestück' von Edouard Manet und der ,Montagne Sainte-Victoire' von Paul Cézanne (1897)." Im Fall dieser Werke sei auch nicht zu fürchten, dass der rechtmäßige Erbe sie irgendwann restituieren müsse. Ihre Provenienz erscheine einwandfrei. Welcher Steuersatz zur Anwendung kommen könnte, müsste geprüft werden.

Auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung beruft sich das Bayerische Finanzministerium auf das Steuergeheimnis "gemäß Paragraph 30 der Abgabeverordnung". Staatlicherseits dürfe dazu niemand Auskunft geben, heißt es. Das Kunstmuseum in Bern wiederum war bis Montagnachmittag zu keiner Stellungnahme bereit. Es hatte im Juni bereits bekannt gegeben, zwei Immobilien aus der Gurlitt-Erbschaft verkaufen zu wollen, und es hat auch den Verkauf von Bildern nicht ausgeschlossen, um zum Beispiel die Kosten des Rechtsstreits um das Erbe begleichen zu können. Rund 2,5 Millionen Schweizer Franken seien dafür bis dato angefallen.

Dass der deutsche Staat unterdessen bereits hohe Summen für die Erforschung des Schwabinger Kunstfundes ausgeben hat, ist unter Kunsthistorikern und Restitutionsfachleuten ein heftig diskutiertes Thema - so auch am Rande verschiedener Tagungen vergangene Woche in München. Manchem stockte deswegen auch kurz der Atmen, als das Kunstmuseum Bern Ende Juni bekannt geben musste, es gäbe Probleme mit den "Ausfuhrformalitäten aus Deutschland" für Gurlitts Bilder. Die Neue Zürcher Zeitung munkelte sofort: "Eigentlich ist solch eine Panne kaum vorstellbar, schließlich wissen auf Kunsttransporte spezialisierte Speditionen, wie man Kunstwerke von einem EU- in ein Nicht-EU-Land pannenfrei bringt. Entweder wollte also jemand Geld sparen und hat Laien beauftragt, oder jemand hat massiv geschlampt. Oder man müsste Absicht unterstellen."

Doch obwohl die Werke zum vergangenen Freitag Bern doch erreichten und einige davon sogleich stolz der Öffentlichkeit präsentiert worden sind, ist die Frage weiter ungeklärt, warum der Zoll deren Transport in die Schweiz zunächst noch einmal gestoppt hatte. Der Zoll verweist mit dieser Frage ebenfalls aufs Museum in Bern.

Eine gewisse Ironie hat der Sachverhalt auf alle Fälle: War es doch auch der Zoll, der aufgrund des Verdachts eines Schwarzgeld-Transfers durch Gurlitt, die ganze Angelegenheit im September 2010 ins Rollen gebracht hatte. Der damals 78-Jährige war bei der Rückreise aus der Schweiz - genauer gesagt von Bern, wo er ein Bild verkauft hatte - mit einer größeren Menge Bargeld im Zug angetroffen worden. Obwohl sich die Summe, die die Zollkontrolleure fanden, unterm legalen Limit bewegte, kam es danach zu den heute umstrittenen Ermittlungen der Behörden. Denn als Raubkunst konnten, trotz teurer Taskforce-Arbeit, nur drei seiner Bilder identifiziert werden.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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