Zum Tod von Günter Kunert:Ein deutsches Leben

In Günter Kunerts Leben und Werk spiegelt sich die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. (Foto: dpa)
  • In der Nazizeit wurde Günter Kunert verfolgt, in der DDR war er zu unbequem, 1979 kam er in den Westen.
  • Zu seinen bekanntesten Werken zählen sein erster Gedichtband "Wegschilder und Mauerinschriften" sowie der kritische DDR-Roman "Die zweite Frau".
  • Nun ist Kunert im Alter von 90 Jahren gestorben.

Der Schriftsteller und Dichter Günter Kunert starb am Samstagabend in seinem Haus im schleswig-holsteinischen Kaisborstel im Alter von 90 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung, wie die Witwe gegenüber Agenturen bestätigte. Kunert war vor allem Lyriker, schrieb aber auch Prosa - darunter zwei Romane, eine Autobiografie, Reisebeschreibungen und Essays, ebenso Filmdrehbücher und Hörspiele.

In Kunerts Leben und Werk spiegelt sich die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert: Geboren 1929 in Berlin noch zur Zeit der Weimarer Republik, wuchs er in der Nazizeit auf - diffamiert als sogenannter Halbjude, seine Mutter war Jüdin. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Kunert auf den Sozialismus, wurde von der DDR aber zunehmend enttäuscht und lange bespitzelt.

1976 gehörte Kunert zu den ersten Unterzeichnern eines Protestes gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann aus der DDR. 1979 ließ die DDR den unbequemen Dichter Kunert in den Westen ausreisen. In Schleswig-Holstein fand er ein neues Zuhause in einer ehemaligen Dorfschule in Kaisborstel. Dort lebte er mehr als 40 Jahre.

Rund 70 Jahre lang hat der ungemein produktive Autor publiziert. 1950 erschien Günter Kunerts erster Gedichtband "Wegschilder und Mauerinschriften" und 2019 der kritische DDR-Roman "Die zweite Frau". Das Manuskript war bereits 45 Jahre zuvor entstanden, Kunert hatte es aus Sorge, ins Gefängnis zu müssen, versteckt, dann vergessen und erst im hohen Alter zufällig im Keller wiederentdeckt.

Bereits zu Lebzeiten hat Kunert ein Grab auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee gekauft. Dort wollte er beigesetzt werden.

© SZ vom 23.09.2019 / dpa/SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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