"Gülcans Traumhochzeit":Kitsch as Kitsch can

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Klischees für die verarmte Seele: "Viva"-Nervensäge Gülcan Karahanci feiert die "Traumhochzeit des Jahres" und mimt das possierliche Zuckermäulchen. Und, ja!, es soll immer noch Menschen geben, die sich solche Null-Formate antun.

Michaela Förster

In einer rundum sorglos globalisierten Ellbogengesellschaft bleibt dem romantischen Menschen nur ein allerletzter Rückzugsort: das Fernsehen. "Gülcans Traumhochzeit", eine neue Doku-Soap mit Almost-Celebrities auf Pro Sieben, bedient das ganz große Gefühl und überall dort, wo Pro Sieben großes Gefühl vermutet: Sieben Wochen Hochzeitswahn für das Sommerloch.

Weder Idee noch Umsetzung sind neu: "Sarah & Marc in Love" heißt das Vorläufermodell aus eigenem Hause, Baujahr 2005.

Millionen hungriger Herzen verfolgten den Weg des Schmusesängers Marc Terenzi und der Solokünstlerin Sarah Connor vor den Traualtar. Die dramatischen Folgen: Ein gründlich durchgeheulter Kleenexberg mit den Ausmaßen der Müllkippe von Sao Paulo, eine gesungene Liebeserklärung nach der anderen und der importierte Hype des vormals so unbekannten wie wenig vermissten Berufes Weddingplanner.

Die Traumhochzeit scheint eine der letzten Bastionen ungebremsten Gefühlsdusels zu sein - Beerdigungen von walisischen Prinzessinen mal ausgenommen.

Maulkorb für Goldstiefelchen

Diese Sehnsucht nach gefühlsechten Werten in einem überlebensgroßen Leben ist längst von den Fernsehstationen entdeckt und wird schamlos ausgebeutet. Sei es als: "TV macht dein Auto schön (und vor allem groß)", "TV repariert deine Bruchbude" oder "TV bringt dich zu den wenigen Glücklichen". Auf die Heilssoap: "TV entsorgt die Alten" dürfen wir noch warten.

Dieses diffuse Bedürfnis nach sorglosem Großmannsleben bedient "Gülcans Traumhochzeit" ohne jede Gnade, selbstverständlich mit eingebläutem Promi-Adel. Die "Pop-Prinzessin", TV-Moderatorin Gülcan Karahanci, heiratet mitten in irgendeinen neureichen Geldadel hinein: Man traut sich mit Sebastian Kamps aus der unzerbröselten Brötchendynastie, dem einzigem Sohn des Bäckereimoguls Heiner Kamps. Schon angesichts dieser Konstellation wampert jedes zartfühlende Herz wie Sauerteig.

Doch selbst dieses ausgestellte Luxus-Pärchen hat mit relativen Problemen zu kämpfen: Wasserflecken an der Decke werden zu lebensbedrohlichen Brutstätten des bakteriellen Verderbens, auf das nur Muttern Kamps die letztgültige Antwort weiß. Das offensiv ausgestellte gute Verhältnis zu den Schwiegereltern ist vermutlich auch das einzige, was nicht in dieses Familienwítzpanorama aus den prüden Fünfzigern passt.

Auf goldenen Stiefelchen und in Leopardenprintkleidchen gibt die als Viva-Moderatorin toughe, redselige Gülcan die zuckersüße, schweigend-gehorchende Hausmaus, stöckelt Reinigungsbewegungen simulierend durch die Flure und packt auch mal ein Köfferchen mit dem Nötigsten. Während der kommende Göttergate Promi-Autorennen durch Deutschland plant, kämpft sie mit Promi-Lockenwicklern. Und für das frühe Glück am Morgen lässt sich Gülcan artig einen Maulkorb verpassen: "30 Minuten Schnauze halten", befiehlt der junge Kamps. So possierlich geht's allewei zu bei Neureichs.

Die Leiden des Sebastian K.

Das Sahnehäubchen auf dem weichgespülten Haufen bildet ein Poser-Streit des sonst krisenfesten Traumpaars. Hier die Szene kurz vor der geplanten Familienzusammenführung - Vorhang auf:

Prinz Gleichgültig: Ich geh jetzt. Prinzessin Goldstiefelchen: Wohin? Prinz Gleichgültig: Sag ich nich'. Du gehst mir echt voll aufn Sack, ey. Prinzessin Goldstiefelchen: Wie bitte? Prinzessin Gleichgültig: Du nervst. Komm, lackier dir die Nägel. Prinz Gleichgültig geht von der Bühne ab, Wohnungstür zu. Die Prinzessin zieht die Tür auf und ruft dem Flüchtigen hinterher. Prinzessin Goldstiefelchen: Dann geh doch mit deinem Auto knutschen!

Wunderbar, ganz grandios, auch in den Zwischentönen: brava, bravo, bravi, da capo!

Sebastian Kamps hat allerdings einen Hang dazu, jede romantische Stimmung zu sabotieren: Den ersten Kuss soll er mit einem "Dann hätten wir das ja auch mal erledigt" kommentiert haben. Gülcans Hochzeitsphantasien - ganz in Weiß, Kutsche, Tauben und vermutlich Salut der Nationalgarde - lacht er einfach aus.

Außer Verlobung und aufwändig besprochener Hochzeitsplanung ist nicht viel passiert. Das wird, so steht zu fürchten, auch nicht anders werden. Bis ein ganzes Sommerloch voll von Nichts ist.

Denn, so wusste schon Martin Heidegger: "Das Nichts nichtet."

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