Grass verteidigt sich:"Ich war an keinem Verbrechen beteiligt"

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Günter Grass verteidigt sein spätes Bekenntnis, das er in seiner Autobiografie "Beim Häuten der Zwiebel" gemacht hat

Günter Grass hat sich in einem Interview mit Moderator Ulrich Wickert zu den Vorwürfen geäußert, dass er sich erst jetzt zu seiner freiwilligen Mitgliedschaft in der Waffen-SS bekannt hat.

In dem Gespräch, das die ARD am Donnerstagabend ausstrahlt, sagte Grass: ,,Ich bin zur Waffen-SS gezogen worden, war an keinem Verbrechen beteiligt, hatte aber immer das Bedürfnis, eines Tages darüber in einem größeren Zusammenhang zu berichten.''

Dieser habe sich erst jetzt beim Schreiben seines autobiografischen Buches ,,Beim Häuten der Zwiebel'' ergeben. Er sei der Meinung gewesen, dass das, was er als Schriftsteller und Bürger getan habe und was das Gegenteil dessen bedeute, was ihn in seiner Jugend während der Nazi-Zeit geprägt habe, ausreiche.

In einem Gespräch mit NDR Kultur betonte Grass, dass er die Glaubwürdigkeit seiner politischen Ansichten nicht beschädigt sehe: ,,Ich werde mich auch weiterhin als Schriftsteller wie als Bürger äußern.''

Der österreichische Schriftsteller Robert Schindel sagte in einem Interview mit Spiegel Online, Grass habe schon vor mehr als 20 Jahren von seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS berichtet.

"Scheinheilige Kritik"

,,Ich habe inzwischen erfahren, dass auch Peter Turrini seit 20 Jahren davon weiß'', sagte Schindel. Der Historiker Hans Mommsen bezeichnete in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau die Kritik an Grass als ,,scheinheilig''.

Da die Einberufung zur Waffen-SS im Spätsommer 1944 in dieser Phase des Krieges nichts Ungewöhnliches gewesen sei, sei die öffentliche Erregung über Grass ,,unangebracht''.

Der Autor Florian Illies sagte indes im Deutschlandradio Kultur, für seine Generation sei Grass keine moralische Instanz mehr gewesen: ,,Für mich war er eine unglaubliche Nervensäge.''

Der Verkauf von Grass' neuer Autobiografie ,,Beim Häuten der Zwiebel'', die eigentlich erst am 1. September in den Buchhandel kommen sollte, startete bereits am Mittwoch. Der Steidl-Verlag brachte vorzeitig die erste Auflage von 150.000 Exemplare in die Läden. Nach Informationen von Torsten Casimir, Chefredakteur des Buchhandel-Fachmagazins Börsenblatt, sind bereits weitere 100.000 Exemplare im Druck.

© SZ 17.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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