Glaskunst:Licht in Form gegossen

Lesezeit: 3 min

Um 1920 wurde diese Schale in der französischen Manufaktur Daum Frères gefertigt. (Foto: Kunstsammlung der Veste Coburg)

Die Ausstellung mit historischem Glas auf der Veste Coburg ist neu gestaltet. Nun ist sichtbar, welche Schätze dort jahrelang beinahe unbemerkt lagerten

Von Florian Welle

Welch ein Entrée. Da, wo bis vor nicht allzu langer Zeit eine Holztür den Raum zur historischen Glassammlung der Coburger Veste verschlossen hat, ist jetzt eine Glastür. Durch die kann der Besucher bereits von außen erahnen, von welchem Glanz er gleich umgeben sein wird. Sein Blick wird auf einen Deckenleuchter fallen, der so angestrahlt ist, dass er von allen Seiten funkelt. Wie ein eitler Geck scheint er zu sagen: Seht her, wie schön ich bin, betrachtet mich! Und schon öffnet man die Tür und steht in der "Schatzkammer Glas", die nach gut zweijähriger Generalüberholung ihrem Namen endlich alle Ehre macht.

Große Teile der Glassammlung gehen auf die Sammelleidenschaft Herzog Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha, Queen Victorias zweitem Sohn, zurück. Als Chef der englischen Flotte war er auf der ganzen Welt unterwegs. Mit ihrem reichen Bestand, vor allem an venezianischen Arbeiten des 15. bis 17. Jahrhunderts, ergänzt um Gläser, Kandelaber und Tafelaufsätze vom Barock bis zum Jugendstil, zählt sie zu den bedeutsamsten ihrer Art in Europa. Das ging durch die Präsentation bislang allerdings unter.

Die im Vorraum und im sogenannten Kongreßsaal beherbergte Schau kam mit ihren wie Riegel platzierten und mit Objekten vollgepfropften Vitrinen vorher nicht wirklich zur Geltung. "Rennstrecke" nannten die Aufseher spöttisch die Glasabteilung, weil kaum ein Besucher verweilte, sondern zügig weiterschritt zu den alten (Jagd-)Waffen. "Man sah schlicht nicht, dass es sich hier um etwas Bedeutendes handelt", erklärt Sven Hauschke, der als ausgewiesener Kenner für Glas und Keramik das Kunsthandwerk auf der Veste inklusive des wunderschönen Europäischen Museums für Modernes Glas in Rödental verantwortet und ab August offiziell Klaus Weschenfelder als Direktor ablöst, die jahrzehntelange Malaise mit dem historischen Glas. Doch zunächst standen die Neugestaltung der altdeutschen Sammlung mit ihrem Cranach-Schwerpunkt sowie der Artillerie-Ausstellung auf der Gedeckten Batterie an.

Ebenso wie diese mittlerweile durch gekonnte Inszenierung zum Verweilen einladen, so versteht es nun auch die "Schatzkammer Glas" zu faszinieren. Der überwiegende Teil der rund 750 Objekte umfassenden Dauerausstellung sind Kunstkammerstücke, waren also niemals zum Gebrauch bestimmt, sondern erfüllten repräsentative Funktionen. Dementsprechend elegant müssen sie zur Geltung gebracht werden.

Dazu hat man die Räumlichkeiten umfangreich restauriert. Unter anderem wurde der teilweise als Depot genutzte, säulenbewehrte Vorraum in seinen ursprünglich großzügigen Zustand zurückversetzt. Statt wie früher Tageslicht einfallen zu lassen, hat man die jetzt luftig gestellten, auch mal mit Seide ausdrappierten Vitrinen geschickt eingeleuchtet. So in Szene gesetzt erinnern sie nun an frühere Prunkbüffets. Ein filigran gearbeiteter venezianischer Teller wird da ebenso zum Augenfänger wie ein in Thüringen angefertigtes 18-teiliges Gläserset mit Spielkartenmotiven aus dem 18. Jahrhundert.

Neu ist auch, dass Einzelvitrinen die Aufmerksamkeit auf besonders wertvolle Stücke wie eine fragile Schale aus Achatglas oder eine farbenprächtige Millefiorikugel lenken. Beide Arbeiten stammen aus dem Venedig des 16. Jahrhunderts. Den Sommer über sollen auch die dazugehörigen Medienstationen in Betrieb gehen, so dass man auch die bewegte Geschichte der Exponate hören kann. So erwarb Herzog Alfred 1861 auch eine mittelalterliche Moscheelampe, die in ihrem ramponierten Zustand bislang in der Kunstgewerbeabteilung der Veste ein Stiefmutter-Dasein fristete.

Sven Hauschke ließ sie restaurieren. Nun sind die Klebestellen kaum mehr erkennbar. Aber warum ist die Oberfläche bis auf ein Wappen, das einen Adler und einen Kelch zeigt, so verkratzt? Weil sich im British Museum eine fast identische, allerdings perfekt erhaltene, Moscheelampe befindet, ließ sich das Geheimnis lüften. Das Wappen war das Zeichen von Toquztimur al-Hamawī, der von 1330 bis 1341 als Mundschenk am Hof des Sultans tätig war. Die Lampen ließ er sich für seine Grabkapelle in Kairo anfertigen und jeweils mit einer Koransure verzieren, die das Licht verehrt. Die Coburger Moscheelampe landete allerdings über Umwege in einem koptischen Kloster in Kairo. Dort kratzten die Mönche die arabische Inschrift sorgfältig weg, um sie auch an einem christlichen Ort benutzen zu können.

Das kostbarste Stück der Veste, das Hedwigsglas, das wohl in Syrien im 11. Jahrhundert entstand und sich nachweislich auch im Besitz von Martin Luther befand, hat seinen Weg in die "Schatzkammer Glas" nicht gefunden. Es wird weiterhin im Lutherzimmer der Veste, wo sich der Reformator 1530 für sechs Monate aufhielt, zur Schau gestellt. "Ich wollte es nicht aus seinem Kontext reißen", sagt Sven Hauschke zur Begründung. Vor wenigen Wochen erst wurde das Hedwigsglas in die Liste der "100 Heimatschätze Bayerns" aufgenommen.

Schatzkammer Glas. Die historische Glassammlung der Veste Coburg , Kunstsammlungen der Veste Coburg, April bis Oktober, täglich von 9.30 bis 17 Uhr, November bis März täglich außer montags, 13 bis 16 Uhr

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: