Gesprächskonzert:Der Wille zur Gegenwart

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Die Auftaktveranstaltung der Reihe "Hartmann 21" widmet sich den Spuren jüdischer Musik in Karl Amadeus Hartmanns Werk

Von Rita Argauer

München hat im 20. Jahrhundert zwei große Komponisten-Figuren: Carl Orff und Karl Amadeus Hartmann. Doch während die Orffsche Rhythmus-Schule schon bei Kindern omnipräsent ist, fristet Karl Amadeus Hartmann in der breiten Gesellschaft eher eine Art Nischendasein. Obwohl etwa in der von ihm gegründeten Konzertreihe Musica Viva nach wie vor Neues, Sperriges und Avantgardistisches regelmäßig zur Aufführung kommt und sein Werk seit dem Karl-Amadeus-Hartmann-Jahr 2013 zu seinem 50. Todestag auch wieder etwas öfter in Konzertprogrammen auftaucht.

Doch eine zu sehr retrospektive Haltung, passt sowieso nicht so gut zu dem Münchner Komponisten. Denn Karl Amadeus Hartmann hatte einen recht unbedingten Willen zur Gegenwart. Die Förderung und Aufführung von Gegenwartsmusik junger Komponisten lagen ihm dementsprechend am Herzen. Aber auch in seiner Musik hört man mehr die Einflüsse seiner unmittelbaren Zeit als etwa zu sehr Rückblickendes oder auf Reminiszenzen Bauendes.

In diesem Sinne wird die Karl-Amadeus-Hartmann-Gesellschaft ihrem Protagonisten mit ihrer neuen Veranstaltungsreihe "Hartmann 21" auch insofern gerecht, dass es nur bedingt um Huldigung und Wiederaufführung der Werke des Namensgebers geht. Denn nicht nur Hartmanns Werk wird in dieser Reihe ins 21. Jahrhundert transportiert - auch junge, gegenwärtige Komponisten können sich in zwei Veranstaltungen auf dem "Podium junger Komponisten" im Hartmann-Haus in München-Schwabing vorstellen.

Künstlerischer Einfluss: Karl Amadeus Hartmann. (Foto: Karl-Amadeus-Hartmann-Gesellschaft)

Den Auftakt zu "Hartmann 21" macht aber Hartmann selbst. Im Programm des ersten Abends setzt man einen Schwerpunkt auf das Werk des jungen Hartmanns, das in den Zwischenkriegsjahren entstand. Ein inhaltlicher Fokus ist dabei die Künstlerfreundschaft zwischen Hartmann und der jüdischen Malerin Maria Luiko. Und vielmehr als in einem schlichten Konzert soll dieser biografische Abschnitt Hartmanns an diesem Abend erfahrbar werden. In Gesprächen, einer Ausstellung mit Werken Luikos, in ausgestellten Briefen und natürlich auch in Hartmanns Musik soll an diesem Abend ein wichtiger Bestandteil zum tieferen Verständnis von Hartmanns künstlerischem Schaffen offengelegt werden: Die Spuren jüdischer Musik in seinen Kompositionen.

Hartmann zog sich während des NS-Terrors in ein inneres Exil zurück - seinen Protest und seine Klage schrieb er aber in seine Kompositionen ein. So findet sich etwa in sämtlichen zwischen 1933 und 1945 entstanden Werken Hartmanns das jüdische Lied "Elijahu hanavi". Bei dem Konzert in München geht es aber um ein früheres, erstes Auftauchen jüdischer Melismen in Hartmanns Werk, und zwar in der zweiten Suite für Solo-Violine von 1927. Und während die Kunsthistorikerin Diana Oesterle und der Musiker und künstlerische Leiter der Hartmann-Gesellschaft Andreas Hérm Baumgartner in Diskussionen und Gesprächen die Musik und die Ausstellung zeit- und kunsthistorisch verorten werden, konnte man mit dem Geiger Ingolf Turban einen bekannten Musiker gewinnen. Zusammen mit seinen jungen Kollegen Lilian Heere, Milena Wilke, Amelie Böckheler und Katharina Müller spielen sie dabei neben Hartmann auch Werke von Béla Bartók, Erwin Schulhoff, Berthold Goldschmidt und Paul Ben-Haim - alle ausschließlich für Violine.

Hartmann 21 , Mittwoch, 27. April, 20 Uhr, Hartmann-Haus, Franz-Joseph-Straße 20, Ausstellung mit Werken von Maria Luikos noch bis Freitag, 17. Juni

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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