Gesangsprojekt:Auf Stimmenfang in der Generation Rock

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Motiviert die Massen: Dieter Falk 2016 bei den Münchner Proben zum Pop-Oratorium "Luther". (Foto: Stehphan Rumpf)

Hit-Produzent Dieter Falk unterstützt einen neuen Senioren-Chor in München

Von Michael Zirnstein, München

Schon im trotzigen Motto "Es ist nie zu spät" schwingt mit, dass einige Menschen dies anders sehen, dass eben doch mal alles aus ist und es durchaus eine gewisse Torschlusspanik bei der aktiven Teilhabe an Kultur gibt. Speziell am Rock - der einst der Jugend vorbehalten war. So grenzten sich Jethro Tull vom Typus "greiser Rocker" ab: "Zu alt für Rock'n'Roll, zu jung zum Sterben ..." Solchem Abgesang soll das deutschlandweite Projekt "Rockchor 60+" entgegenschallen. Und doch landet man beim Pressevorgespräch schnell thematisch im Altersleiden. Immerhin stammt die Idee von einer Geragogin, Beatrix Wirbelauer, also von jemand, der beruflich Kultur- und Bildungsverlust im Alter bekämpft. Dieter Falk - Schirmherr und Arrangeur bei der Aktion - erzählt von einem Elvis-Imitator, der Altersheime besucht, Boris Ruge, der Chorleiter in München, von seinen Erlebnissen als Klinik-Clown: "Musik ist heilsam, toll, was die in schlimmen Situationen bewirkt." Und gibt es nicht den Dokumentationsfilm "Alive Inside", in dem demente Amerikaner wieder gesunden, weil man ihnen Lieder ihrer Jugend vorspielt? Mit seinem Senioren-Sängern hat Ruge ähnliches vor: "Ich liebe es, wenn gemeinsam gesungene Lieder Erinnerungen wecken", sagt der Münchner, der in seiner Karriere Straßentheater in Italien und Rock gespielt hat, als Kabarettist das Passauer Scharfrichterbeil gewonnen hat und einen Chor am Europäischen Patentamt leitet. Und der Musikprofessor Dieter Falk - als 18-Jähriger noch Pianist von Katja Ebstein, später Sessionmusiker und mit 50 Gold- und Platinplatten dekorierter Produzent in den USA und Deutschland für Künstler von Lee Konitz bis Pur, nun auch Musical-Komponist - liefert dazu die Hit-Medizin für "die nächste Generation, die uns verlässt". Und das sei eben eine, die mit den Beatles, den Rolling Stones und Elvis groß geworden ist. Das habe er erkannt, als er mit Tausenden Laiensängern in ganz Deutschland am Pop-Oratorium "Luther" arbeitete: "Die kamen mit dem Rollator in die Probe, und gingen ohne wieder raus."

Bei aller wissenschaftlichen Erkenntnis über die gesundheitlichen Vorzüge des Singens, vor allem gemeinschaftliches in Chören, meint Falk das freilich auch selbstironisch. Dass er es beim Senioren-Singen nicht mit stimmschwachen Siechenden zu tun haben wird, hat er beim Kick-Off-Event in Düsseldorf bereits gesehen. Er selbst spricht auch von "meiner Generation", ob wohl er mit 58 Jahren noch zwei Jahre jünger als die Zielgruppe ist, mindestens 15 Jahre jünger aussieht und geschäftig ist wie eh und je. Daher beginnen die Proben in München jeden Dienstag immer erst um 19 Uhr, damit auch alle, die noch im Berufsleben stehen, kommen können.

Auf dem Programm stehen in der Münchner Pop-, Rock- und Jazz-Schule Music Academy die selben Stücke wie an allen 16 "Rockchor 60+"-Standorten in Deutschland, damit in einem Jahr alle zusammen ein Massenkonzert geben können. Falk hat Gassenhauer wie "Satisfaction", "Born To Be Wild" oder "Another Brick In The Wall" so arrangiert, dass alle sich voll einbringen können: Kein Solist, sondern der Chor trägt die Lead-Zeile, man singt das Gitarrenriff von "Smoke On The Water" ("Da da daah, da da dadaah"), leichte Choreografien halten auch den Körper in Schwung, und mehr als zweistimmig wird es selten: "Bei ,Mighty Quinn' vierstimmig", sagt Falk, "aber es erreicht nie die Schwierigkeit der Matthäus-Passion." Es soll locker bleiben. "With A Little Help" dachten die Beatles ursprünglich für Drummer Ringo Starr an, das geht kaum über den Umfang einer Quinte hinaus.

Falk konnte es nicht lassen, auch ein paar jüngere Titel aufzunehmen, schließlich hören ältere Menschen ja nicht auf, neue Musik zu hören: So gibt es "Fix You" von Coldplay und Alphavilles "Forever Young", weil es für den Schirmherren "programmatisch so schön" passt: "Fitness für die Seele."

Rockchor 60+ , erste Probe mit Dieter Falk, Di., 24. April, 19 Uhr, Music Academy, Tumblingerstraße 21, t 76 75 46 12

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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