Gedicht für die Prinzessin:Der Lüstling spricht

Oskar Maria Grafs Passion für seine Geliebte war so brennend, dass er ihr ein Gedicht mit dem Titel "Der Lüstling spricht" widmete. Mitte der fünfziger Jahre schrieb er ihr folgende Zeilen.

Tiefschwarz und glänzend muss die seidne Wäsche sein, an manchen Stellen kühn durchbrochen mit vielen Spitzen, und straff um deine Hüften muss das glatte Mieder sitzen.-

"Das alles macht dich so unsagbar festlich": Oskar Maria Graf, "Der Lüstling". (Foto: Foto: privat)

Dein weißes Fleisch soll so obszön aus diesem Dunkel schrei'n, dass sich der letzte Nerv entzündet und ein äußerstes Erhitzen mein Blut erfüllt, wenn meine Augen kurz und trunken blitzen und lüstern rinnen über dieses grenzenlose Köstlichsein.-

Die prallen Schenkel, deine volle Brust, die himbeerroten Zitzen, die steif und spitz und wie bekrönend auf der Wölbung sitzen, dein lustbereites Lächeln, und wie du jetzt dein schlankes Bein noch überprüfst; die hohen Schuhe, die den Schwung betonen und jede kleine Geste, welcher nur noch die Begierden innewohnen - das alles macht dich so unsagbar festlich, so verlockend reich! -

Als hätten wir in voller Brunst erst jetzt als Leib begonnen, durchströmen uns die immer neuen, unbekannten Wonnen, und wenn dein süßer, schwerer Körperduft mich sturzbachgleich in einen bodenlosen Abgrund reißt - das ist so ausgesonnen, als seist du als ein Lustgebilde einem Liebesgott entronnen, der jetzt vielleicht in einem Wald, an einem mondbeglänzten Teich von seinem Werke selig träumt. -

Sehr zärtlich will er uns belohnen, weil er im Fernen fühlt: Sein ganzes Wesen ist in uns geronnen.-

Und, sinkend in die Wollust, werden wir ihm selber gleich....

Für die Prinzessin

© Matthes&Seitz, Ullstein-List

© SZ vom 22.7.08/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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