Gastspielreihe:Im Hier und Jetzt

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Wie ein Präludium von Johann Sebastian Bach aussehen kann, wenn es getanzt wird, zeigt Maria Muñoz. (Foto: Jordi Bover)

Mit "depARTures" bringen vier Choreografen aus Katalonien zeitgenössischen spanischen Tanz nach München

Von Sabine Leucht

Bei der Tanzwerkstatt Europa 2017 hatte Quim Bigas das Glück im Gepäck. In "Molar" wehte der kompakte Katalane wie ein freundlicher Wirbelsturm über den Wittelsbacher Platz, der mit dem Anliegen unterwegs ist, auch alle Umstehenden in Bewegung zu bringen. Was, wie Singen, bei der Glücks-Verbreitung helfen soll. Was noch, vor allem in Deutschland, hat Bigas zuvor recherchiert und mit in sein Solo gepackt. So ist er unter anderem auf Kinderschokolade gestoßen.

Die lässt er diesmal vermutlich zuhause, denn in "Appraisers", womit der Tänzer und Choreograf aus Barcelona die kleine Gastspielreihe "depARTures" eröffnet, geht es nicht um euphorische Gefühle, sondern um die Gegenwart. Die Anpassungsleistung ans Hier-und-Jetzt ist bei dem seit 2011 weiterentwickelten Format Programm, das mit der "Information, die bereits da ist" arbeitet, wie Bigas etwas umständlich schreibt - also namentlich mit dem jeweiligen Ort und den dort anwesenden Menschen. Drei neue Versionen mit Münchner Künstlern sind am Samstag und Sonntag im Schwere Reiter zu sehen. Wobei ein Blick auf eine ältere Variante zeigt, dass einen wohl weniger aufsehenerregende Bewegungen erwarten als eine Art Wahrnehmungsschule.

Vier Choreografen aus Katalonien und eine Hommage an die Tanzfilm-Pionierin Núria Font Solà vereint die erst 2018 an den Start gegangene Veranstaltungsreihe von Walter Heuns Joint Adventures, die Querverbindungen zu anderen Kunstformen aufzeigen und so dem Nachdenken über Tanz neue Impulse geben will. Dafür kommt mit Maria Muñoz' Bach-Solo am 5. April ein Signaturstück des zeitgenössischen spanischen Tanzes: Seit 2004 tanzt Munoz zu Präludien von Bach und lässt selbst in der Stille mit keiner Bewegung zu viel die Musik plastisch werden, und ihre Empfindungen wie den abwesenden Tanzpartner gleich mit.

Anders als diese hochkonzentrierte Arbeit im weißen Raum wird Albert Quesadas "OneTwoThreeOneTwo" werden, worin am 6. April im Hoch X zwei Männer die Rhythmik und Magie des Flamenco untersuchen, was nicht nur für Tanz- und Musikwissenschaftler spannend zu werden verspricht, sondern auch richtig witzig, geht man nach "Slow Sports", der ersten abendfüllenden Choreografie Quesadas.

Analytisches Geschick und Witz vereint auch Pere Faura, der vor drei Jahren mit "Striptease" sein München-Debüt gab. Faura besitzt überdies die seltene Gabe der Selbstironie und baut Abende aus Filmprojektionen, Bewegungs- wie postmodernen Theorie-Zitaten und dem scheinbar unbekümmerten Plaudern über sein eigenes Leben, deren Raffinesse sich erst nach und nach zeigt. In "No Dance, No Paradise" kopiert, zerlegt und bespricht er vier ikonografische Momente der Tanzgeschichte: Den steppenden Gene Kelly in "Singing In The Rain", John Travoltas Disco-Tanz in "Saturday Night Fever", den "Sterbenden Schwan" und eine zeitgenössische Choreografie von Rosas. Dabei fragt der charismatische Performer auch danach, was einem die Aneignung der Bewegung antut und wem sie gehört.

depARTures , Sa., 30. März, bis Sa., 6. April, Schwere Reiter, Muffathalle und Hoch X

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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