"Ganz große Oper":Die Kunst der Macht

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Ministerialdirigent Toni Schmid präsentiert beim Dok-Fest seine filmische Liebeserklärung an das Musiktheater

Von Susanne Hermanski

Toni Schmid fängt seinen Film mit dem falschen Zitat an. Denn für ihn selbst trifft gar nicht zu, was er da postuliert: "Immer wenn es kompliziert wird im Leben, brauchen wir die Oper." Für Toni Schmid - Hand aufs Herz - sind die Dinge doch vergleichsweise einfach, wenn er zum Beispiel mal wieder etwas so Kompliziertes wie einen Film machen will. Denn Toni Schmid ist Ministerialdirigent im Kultusministerium. Er ist der Ministerial-Dirigent. Diese Position, auch wenn sie noch so musikalisch klingt, ist vor allem mit Macht verbunden: Der Toni schafft an, was und wie hier in Bayern und seiner kulturellen Welt gespielt wird.

So entscheidet er darüber wesentlich mit, wer im Freistaat welchen Museumsdirektorenposten oder welchen Intendantenstuhl besetzt. Ja, auch den der Bayerischen Staatsoper und den des Generalmusikdirektors. Nach Toni Schmids Personalvorschlägen richten sich schon seit Generationen Bayerns Kultusminister, wenn es gilt, die einflussreichsten, prestigeträchtigsten und bestbezahlten Jobs in ihrem Feld neu zu vergeben. Zudem sitzt Toni Schmid auch noch in verschiedenen Aufsichtsräten, zum Beispiel dem des Hauses der Kunst, der Bayreuther Festspiele (da hält er den Vorsitz im Verwaltungsrat). Und, ja, er sitzt auch im Aufsichtsrat des Film Fernseh Fonds Bayern (kurz: FFF Bayern), dem hierzulande die Filmförderung obliegt.

Wenn Toni Schmid also an diesem Sonntag als "Hobbyfilmer", wie er selbst gern kokettiert, die Premiere seiner Dokumentation "Ganz große Oper" im Münchner Nationaltheater feiert, dann fließt viel ineinander von dem, was der Ministerialdirigent orchestriert: Gefördert wurde die Produktion vom FFF - mit 60 000 Euro, was für eine Doku gar nicht wenig ist. Für die Fonds-eigene Branchenpostille Film News hat man den Ministerialdirigenten, auch gleich, ganz offensiv versteht sich, mit einer mehrseitigen Reportage von seinen Dreharbeiten gewürdigt. Die Bundesförderung hat 40 000 zugeschossen. Der Bayerische Rundfunk hat die Produktion beauftragt und, zusammen mit Arte, 135 000 Euro beigesteuert. Schmids bisheriges Schaffen: Unter anderem hat er Filme über einen Arbeitsvermittler und über die Band Haindling (2014)

Tonangeber unter sich: Generalintendant Nikolaus Bachler (links) und sein Vorgänger Sir Peter Jonas unterhalten sich vor prächtiger Kulisse. (Foto: Kick Film)

gemacht, als TV-Macher beim BR hat er sich mit "Live aus dem Alabama" einen Namen gemacht.

Die festliche Premierenfeier findet diesmal im Nationaltheater selbst statt, da kann es einfach keinen passenderen Rahmen geben. Und für das ebenfalls am Tropf von Steuergeld hängende Münchener Dokumentarfilm-Festival, kurz Dok-Fest, kann die Matinee auch nur von Vorteil sein: Mit welchem Film könnte dessen ambitionierter Leiter, Daniel Sponsel, auch mehr neues Publikum ins Boot holen, das an seiner sonst so knallhart recherchierten und zuweilen etwas moralinsauren Ware vielleicht nicht interessiert ist?

Dem Opernfan wird jedenfalls einiges geboten in Toni Schmids "Liebeserklärung" an das Musiktheater, wie der Untertitel sagt. Der Generalintendant Nikolaus Bachler - für den Toni Schmid gerade weltweit nach einem würdigen Nachfolger sucht - gibt darin einen der Protagonisten. Bachlers Vorgänger Sir Peter Jonas erzählt wunderbar über das typische Münchner Publikum und wie ein Intendant es anstellt, seine Grundaufgabe zu erfüllen - omnipräsent zu sein - ohne der Kunst dabei im Wege zu stehen.

Schmid hat seinerseits überall Zugang. Und außer Kirill Petrenko, dem bald ebenfalls nachzubesetzenden GMD, der grundsätzlich nie Interviews gibt, liefern ihm all diese wunderbaren Sänger, Musiker und Tänzer die herrlichsten Zitate vor die Kamera. Jonas Kaufmann erklärt, was die Oper sein soll im Idealfall. Man müsse nicht die Handlung haarklein wissen, oder wann die Uraufführung war, sagt er: "Man muss sich nur hinsetzen und genießt im Idealfall einen wunderbaren Abend."

Ministerialdirigent und Dokumentarfilmer Toni Schmid. (Foto: Florian Peljak)

Toni Schmids Film übertrifft seine Schwärmerei nur noch durch seine Sprunghaftigkeit. Als Regisseur reiht er Szenen aus Probenarbeiten, Impressionen aus Kleiderkammern und oftmals wahrlich witzige Backstage-Gespräche mit Musikern aneinander. Er blendet von der Chorprobe direkt in die fertige Aufführung, und lässt nach Zubin Mehta, dem neuen Ballettchef Igor Zelensky und vielen anderen endlich Bachler sagen, was Schmid selbst denken mag: "Theater ist keine Bürgerinitiative, wie es die Deutschen so gern haben. Mit einem Stück über das Baumsterben oder so - auch wenn eine Inszenierung ohne zeitgenössische Bezüge eine vertane Chance ist: Die Kunst ist die Kunst ist die Kunst."

Schmids Oper kommt dementsprechend ganz ohne kritische Töne aus. Reichen schon die der Soprane. Und mit dem Ende seines Films macht sich Schmid es ebenfalls nicht kompliziert. Da zitiert und illustriert er noch mal Bachler: "Das ist das beruhigende am Theater: Es fällt der Vorhang, und es ist alles weg!" Was folgt, ist nur noch der Abspann.

In Toni Schmids Leben als Ministerialdirigent hingegen, geht es noch weiter. Er hat sich seine Amtszeit gerade ein weiteres Mal weit über die Ruhestandsgrenze hinaus verlängern lassen. Manches geht eben ganz ohne große Oper im Freistaat. Fragt sich nur, was für Filme Schmids Kollegen Ministerialdirigenten aus dem Finanz- oder auch dem Landwirtschaftsministerium gerne einmal machen würden. Eine Neuverfilmung der Bettleroper? Oder eine Adaption der Cavalleria rusticana? Die Förderanstalten helfen ihnen sicher gern dabei.

Ganz große Oper , Regie: Toni Schmid, Premiere am Sonntag, 7. Mai, 10.30 Uhr, Bayerische Staatsoper

© SZ vom 06.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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