Jedes Jahr das gleiche Spiel: Kaum haben die Sommerferien begonnen, tun manche so, als ob alle Münchner die Stadt für sechs Wochen fluchtartig verlassen hätten. Nun gut, der Verkehr auf den Straßen ist deutlich entspannter, und die Bühnenkünste, so fern sie Theater und Oper betreffen, machen tatsächlich kollektiv Pause - und zwar gefühlt länger als die obligatorischen Sechs-Wochen-Schulferien. Aber sonst? In den Museen kann man sich endlich all das in Ruhe anschauen, was man im Vor-Ferien-Eröffnungs-Marathon nicht geschafft hat, in den Kinos laufen jede Menge neuer Filme an, und Kneipen und Restaurants haben sowieso geöffnet - nur bekommt man jetzt im Lieblingslokal jederzeit einen Platz auf der Terrasse.
Und auch in Galerien ist noch etwas zu sehen, weil sich einige zu einer Art Sommerspielplan entschlossen haben. Unter anderem hat die Galerie Klüser 2 mit dem "Summershowcase" eine schon Anfang der Nullerjahre initiierte Tradition wiederbelebt und dazu im August die junge Münchner Künstlerin Elisabeth Wieser eingeladen. Ihre frühen raumgreifenden Arbeiten wirkten mitunter recht klaustrophobisch. Nun, nach einem längeren Stipendien-Aufenthalt in den USA, öffnen sich optisch nicht nur ihre Zeichnungen, Collagen und Cut-Outs, sondern auch ihre Räume. Statt geschlossener Objekte installiert Wieser in der Galerie Klüser 2 skulptural anmutende Elemente, die eine Umgrenzung des Raumes mehr suggerieren als realisieren. Das wirkt transparent, zugleich aber auch irritierend. Vor allem, weil dem filigran-schwebenden Eindruck die Materialität entgegen steht. Diesen Widerspruch löst die Künstlerin erst in ihren Zeichnungen und Collagen auf, in denen sie Linien und Flächen zu einem fast spielerischen Dialog zusammenführt.
Summershowcase #1 - Elisabeth Wieser: aWell , Galerie Klüser 2, Türkenstraße 23, Mittwoch bis Freitag 12-16 Uhr, bis 25. August
Ein überraschender Dialog entspinnt sich in der Galerie der Künstler des BBK. In der dortigen Sommerausstellung "Stand by me" hat ein Kuratorenteam (Katia Rid, Dörthe Bäumer, Augusta Laar und Kalle Aldis Laar) eine Reihe zeitgenössischer Positionen zusammengetragen, die sich mit dem Radierzyklus "Los Proverbios" von Francisco de Goya auseinandersetzen. Neben einer Mappe mit Goyas Originalblättern aus einer Münchner Privatsammlung werden auch von der Staatlichen Graphischen Sammlung produzierte Faksimiles präsentiert. Goyas Hinwendung zu weltlichen Themen, in denen er die sozialen und politischen Umstände seiner Zeit, die er von Lügen, Dummheit, Eitelkeit und Machtgier gezeichnet sah, kritisch hinterfragte, kam einem radikalen Schritt des bis dahin der Repräsentationsmalerei verpflichteten Künstlers gleich.
Den wohl direktesten Bogen von Goyas Zeit zur heutigen schlagen Augusta und Kalle Laar mit ihrem Ablass-Automaten. Für drei Euro kann man sich von Eitelkeit, Geiz, Rachsucht, Hochmut, Faulheit, Habgier, Feigheit und anderen schlechten Eigenschaften loskaufen. Manche der jüngeren Künstler haben die Vorlagen Goyas genommen und versucht, sie in eine zeitgenössische künstlerische Aneignung zu übersetzen, was auch schon Arnulf Rainer mit seinen Überarbeitungen "Gesichter mit Goya" tat, der ebenfalls aus der Privatsammlung in der Ausstellung vertreten ist. Andere haben einen völlig anderen Ansatz gewählt und aktuelle Themen wie Angst, Gewalt, Protest, Terror, Folter, Manipulation oder die Suche nach Gerechtigkeit thematisiert. Dabei haben Dieter Villinger und Thomas Silberhorn in ihren Arbeiten eine interessante zeitgenössische Sprache gefunden. Anna Maja Spiess dagegen wollte wohl etwas zu viel: zu viele Medien, zu viele Themen. Letztlich haftet ihrer Installation mit Found Footage aus dem Internet aber leider eine gewisse Beliebigkeit an.
Da spricht der Österreicher Michael Kos eine sehr viel klarere Sprache. Mit seiner Installation "Balance.Akt" will er die Heilsversprechen der christlichen Kirchen hinterfragen und schickt dafür eine Christusfigur sehr zeitgeistig auf eine Slackline. Das ist ein wenig provokant, aber die christlichen Kirchen mussten sich schon Ärgeres gefallen lassen. Wie der Gekreuzigte da wie am seidenen Faden über dem Abgrund zu balancieren scheint, ist jedenfalls eine überraschend gut reflektierte Umsetzung des Zweifels am christlichen Glauben. Darüber hinaus schlägt Kos' Arbeit thematisch den Bogen zurück über den "Automaten für Ablass und Zuversicht" der Laars hin zur Gesellschaftskritik Francisco de Goyas.
Stand by me, Galerie der Künstler des BBK, Maximilianstraße 42, Mittwoch bis Sonntag 11-18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr, bis Freitag 25. August, mit Finissage (19 Uhr) "Zur Archäologie politischer und widerständiger Klänge" von Kalle Aldis Laar