Theater am Gärtnerplatz:Oper fürs Volk

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Gegründet von wohlhabenden Privatleuten, sollte das Theater am Gärtnerplatz eine Bühne für fröhliche Stücke mit und ohne Musik werden. Doch bald schon kam die erste Pleite. Das Jubiläum wird vor einer Baustelle gefeiert

Von Egbert Tholl, München

Am 22. Juni 1863 berichtete das Staatsministerium des Handels und der öffentlich Arbeiten an König Maximilian II. Großes war im Gange: Eine Vereinigung aus angesehenen Kaufleuten, wohlhabenden Bürgern, höheren Beamten sowie Künstlern und Literaten hatte sich zur Aufgabe gemacht, eine Pflegestätte der volkstümlichen Spielgattungen zu schaffen. Und zwar in genügendem Abstand zum königlichen Kulturboulevard Maximilianstraße, aber doch nicht zu weit weg vom Zentrum.

Was sich heute abenteuerlich liest, damals aber offenbar keineswegs einem völligen Irrsinn entsprungen war: Der neue Theaterbetrieb sollte privatwirtschaftlich organisierte werden, 700 Bürger sollten Aktien zeichnen im Hinblick auf eine Dividende, die der Spielbetrieb ermöglichen sollte. Der König jedoch lehnte ab.

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(Foto: Deutsches Theatermuseum München)

Monika Bohinec, die Amneris aus der "Aida", in der Baustelle des oberen Foyers.

Ferdinand Lang als Menschenfresser in "Die letzten Mohikaner" von 1878 und das Gärtnerplatztheater in alter Pracht.

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(Foto: Deutsches Theatermuseum München)

Motorisierte Girsreihe um 1930.

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(Foto: Deutsches Theatermuseum München)

Hans Pleschinski 1978 in Die Italienerin in Algier "als Vorderbeine eines tanzendes Kamels" mit Walker Wyatt als Reiter.

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(Foto: Deutsches Theatermuseum München)

Hans Pleschinski als lebender Baum in Alcina, im Vordergrund Monica Pick-Hieronimi in der Titelrolle, 1977.

Das Gärtnerplatztheater bei Nacht.

Die Geburt des Gärtnerplatztheaters vor 150 Jahren aus dem Selbstbewusstsein eines wirtschaftlich erfolgreichen Bürgertums heraus ist der Gründungsmythos des Hauses. Diesen, den Mythos selbst, erzählt Rasmus Cromme in dem opulent aufgemachten Buch "150 Jahre Gärtnerplatztheater - dem Volk zur Lust und zum Gedeihen", das am 4. November, im Vorgriff auf eine Ausstellung im Theatermuseum im Januar kommenden Jahres, zum Geburtstag des Hauses vorgestellt wird. Stefan Frey, ein anerkannter Operettenspezialist, hat es herausgegeben, hat wunderbare Aufnahmen und diverse Textbeiträge dazu gesammelt.

So kann man nun nachlesen, dass etwa das hehre Bürgerinteresse ambivalent war: Die Künstler hofften wohl wirklich auf das, worauf der Untertitel des Buches zielt, das private Unternehmerkonsortium wollte einen neuen Stadtteil erschließen und mit dem Theater aufwerten - nicht anders als heutzutage kulturelle Zwischennutzung in Gebäuden, die noch auf einen Investor warten. Mit dem Unterschied natürlich, dass es am Gärtnerplatz nicht um Zwischennutzung, sondern eine langfristige Investition ging.

Die Bedenken des Königs

Dennoch lehnte dies Maximilian II. ab, wegen finanzieller Bedenken. Ein Jahr später war Ludwig II. im Amt, und der hatte gegen die Initiative nichts einzuwenden: "Meiner Hauptstadt darf der Besitz eines würdigen Volkstheaters nicht länger vorenthalten bleiben." Bis dahin gab es Max Schweigers Theater in der Isarvorstadt und das seines Onkels Johann in der Au. Bretterbuden, die gleichwohl der Gründung des neuen Theaters zunächst im Wege standen und per offizieller Konzessionskündigung von Stadt und Hof geschlossen wurden, verbunden mit Abfindungen und lebenslangen Renten für die Schweigers.

Am 25. August 1864, am Geburtstag des Königs, folgte die Grundsteinlegung, am 4. November des darauf folgenden Jahres die Eröffnung, am 9. Dezember 1868 war das Haus bankrott, am 21. Mai 1870 übernahm der König die Pachtrechte. Der Traum vom echten Bürgertheater währte also nicht lang, zumindest was die Geschäftsstruktur anbelangt. Die letzte Volte kam 1937, da kaufte die Bayerische Staatsregierung das Haus dem Wittelsbacher Ausgleichsfond ab und machte es zur "Staatsoperette", in der sich auch Adolf Hitler wohlfühlte.

Schaut man in Freys Buch auf die Spielpläne, fällt auf, dass in den ersten Jahren tatsächlich das Volksschauspiel dominierte, mit 30, 40 Titeln pro Jahr, einer abenteuerlicher als der andere. Dann reduziert sich langsam die Anzahl der Produktionen, mit starker Dominanz der Operette. Nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich zeichnet sich immer mehr der Drang zur Oper ab, doch schon zuvor gab es hierin sensationelle Aufführungen wie 1928 ein Gastspiel der Wiener Produktion von Kreneks Jazz-Oper "Johnny spielt auf".

SZ PlusInterview
:"Die künstlerische Quelle sprudelt"

Seit drei Jahren ist Josef E. Köpplinger Intendant am Gärtnerplatz und damit auch Hüter einer Großbaustelle - mindestens bis Ende 2016. Ein Gespräch über das Warten und die Wirkung, die man in der Zwischenzeit trotzdem erzielen kann.

Interview von Egbert Tholl

Tumulte und Ausschreitungen

Der Intendant der Staatsoper hatte das Stück, das 1927 in Leipzig seine Uraufführung abgelehnt, was Krenek mit "Rücksichtnahme auf lokalen Stumpfsinn" kommentierte. Hans Warnecke, Intendant des Gärtnerplatztheaters, bewies mehr Mut. Dieser führte zu Tumulten. Wie die Zeitungen damals berichteten, unterdrückte zwar die Polizei Ausschreitungen "nationalsozialistischer Gegner" im Theater selbst, doch wurden die Proteste auf den Platz davor verlegt. Die Münchner Premiere landete auf der Titelseite der Münchner Neuesten Nachrichten, deren Rezensent schrieb von "zynischen Frechheiten" und meinte damit das Stück, Warnecke ging später pleite und beging 1933 Selbstmord. Zu dieser Zeit war das Gärtnerplatztheater längst "judenfrei" - vom 1. Mai 1932 an wurde es in seinem Personalstand bewusst unter dieser grässlichen Prämisse geführt - und Jahrzehnte später schaffte es "Johnny spielt auf" auf den Titel des Katalogs der Ausstellung "Entartete Musik".

Silvester 1938 spielte Johannes Heesters den Danilo in der "Lustigen Witwe" in einer Inszenierung des Intendanten Fritz Fischer. In Freys Buch ist ein Ausschnitt aus Fischers unveröffentlichten Erinnerungen wiedergegeben. Er, Fischer, hatte ein wenig Bammel, weil Heesters schließlich Holländer und sich im völligen Rausch des eigenen Erfolgs befand. Nach der Aufführung ging er in der "Führerloge": "Hitler hat mich an beiden Schultern geschüttelt und zu Goebbels gesagt: ,Sehen Sie, Doktor, so muss man Operette machen.' Er ist noch sieben Mal ins Theater gekommen."

1944 machte ein Bombentreffer das Haus unbespielbar. 1948 wurde es wiedereröffnet, im Mai 2012 wieder geschlossen und harrt nun seiner Auferstehung.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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