Fünf Beispiele:Lack, Pomp und andere Spielereien

Lesezeit: 3 min

An fünf großen Münchner Orgeln lässt sich die ganze Bandbreite der musikalischen Möglichkeiten für den Organisten darstellen

Von Klaus P. Richter, München

Der glänzende Ruf Münchens als Musikstadt liegt keineswegs nur in der Tatsache begründet, dass hier gleich mehrere große Orchester beheimatet sind und das Konzertangebot weitaus üppiger ist als in jeder anderen deutschen Großstadt. München kann darüber hinaus auch auf eine lange Orgeltradition verweisen. Vor allem in den großen Kirchen in der Innenstadt, aber auch in Profanbauten wie dem Gasteig finden regelmäßig Konzerte mit sowohl klassischen als auch zeitgenössisch modernen Orgelwerken statt.

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Natürlich hat das Wahrzeichen der Stadt auch die größte Orgel. Aber nicht nur sie allein, sondern noch zwei andere: Die Hauptorgel hat 95 Register und 7165 Pfeifen in fünf Werken; daneben gibt es aber noch die Andreas-Orgel im südlichen Seitenschiff mit 36 Registern und die "Holzorgel" in der Sakramentskapelle mit elf Registern. Haupt- und Andreas-Orgel, erbaut 1993 vom Orgelbauer Georg Jann aus Alkofen bei Regensburg, sind kombinierbar. Auch hier kann man die Klangbilder von Musik aller Stilepochen erwecken, samt dem Pomp von zwei gewaltigen 32-Fuß-Bassregistern im Pedal mit Pfeifenlängen bis zu fast fünf Metern. Dazu kommen allerhand "barocke" Spielereien: ein Glockenspiel mit 32 Schalenglocken, ein Carillon mit 30 Röhrenglocken und ein Zimbelstern mit flirrendem Glöckchenklang. Fulminate Moderne ist aber die elektronische Setzeranlage mit 6400 Speicherplätzen. Sie ermöglicht es, verschiedene Klangmischungen durch die Auswahl unterschiedlicher Registrierungen im Voraus zu programmieren.

Gasteig Philharmonie

Fast vergessen ist, dass die Geschichte der abendländischen Orgel mit dem brüllenden Ungetüm der römischen Hydraulis, der Wasserorgel im Circus Maximus, begann. Aber trotz ihrer späteren Karriere im sakralen Ambiente lebt ihr weltlicher Ursprung in den Konzertsälen fort: von den Kinosälen in Hollywood, England und Frankreich bis zum alten "Babylon" in Berlin. Auch die Orgel in der Gasteig-Philharmonie steht in dieser Tradition. Sie ist, wie jede Orgel, ein eigenständiges Individuum, aber von repräsentativem Format, mit fast 6000 Pfeifen in 74 Registern auf fünf Werken: vier Manuale und Pedal. 1985 von der renommierten Orgelbaufirma Klais in Bonn nach einer Disposition des Münchner Musikwissenschaftsprofessors Jürgen Eppelsheim erbaut, wurde sie 2004 unter der Ägide ihres Custos, Friedemann Winklhofer, modifiziert und neu intoniert: mit "mehr Bauch", das heißt mit weniger Obertonschärfe und stärkerer Grundtönigkeit. Das ist die Idee einer modernen, konzertanten "Universalorgel": die Spielbarkeit für Musik aller Stilepochen, von Buxtehude und Bach bis zum spätromantisch-sinfonischen Orchesterklang der französischen Orgelsinfonien wie von Charles Widor oder ihrer deutschen Verwandten wie von Max Reger und den Klangmalereien im "Zarathustra" von Richard Strauss.

Ludwigskirche

In der Universitätskirche Sankt Ludwig mit ihrem dunkelblauen, neuromantischen Sternenhimmel von Peter von Cornelius kann man die erste Münchner Orgel hören, die aus der Werkstatt von Rudolf von Beckerath aus Hamburg stammt. Gebaut 1960, klingt sie zwar in eher "nordischem" Idiom, ermöglicht aber auch die romantischen, "französischen" Klangdialekte. Dazu kommen zwei charakteristische "Spanische-Trompeten"-Register, die dekorativ, nämlich horizontal, in den Raum ragen. 1998 generalüberholt, hat sie mit 54 Registern in fünf Werken eine Besonderheit: nämlich eine rein mechanische Traktur. Das heißt, die Verbindung zwischen den Tasten und den Ventilen der Orgelpfeifen erfolgt ganz direkt und nicht elektrisch über Kabel, wie heute bei den allermeisten Orgeln. Das ermöglicht über das Erfühlen des Druckpunktes eine sehr präzise Artikulation der Töne. Aber das erfordert auch bei zunehmender Zahl gewählter Register, vor allem aber wenn verschiedene Werke auf die Tastatur eines Manuals gekoppelt werden, zunehmende Kraft für Finger und Hände des Spielers.

Michaelskirche

Die Orgel in der Jesuitenkirche Sankt Michael, wo sich die katholische Intelligenzija gerne trifft, hat eine komplizierte Baugeschichte. Das 1896 von Franz Maers nach Vorgaben des damals weltberühmten Komponisten Joseph Gabriel Rheinberger gebaute Instrument wurde 1944 im Bombenhagel zerstört. Dann erfolgte 1966 ein Neubau durch die Firma Schuster und 1981 die Wiederherstellung der alten Emporenkonstruktion mit einer Orgel von 64 Registern der Firma Hubert Sandner aus Dillingen. 2011 wurde sie unter der Mitwirkung von Michaelsorganist Peter Kofler und enthusiastischer Hilfe einer prominenten Spendergemeinde, darunter Medienmogul Leo Kirch, durch die Firma Rieger aus Vorarlberg umgebaut und erweitert. Jetzt hat sie 75 Register in fünf Werken mit zwei 32-Fuß-Registern im Pedal und einem delikaten Seitenwerk als Hommage an den Spätromantiker Rheinberger. Neben der sanften Aeoline 8-Fuß oder einer Viola 16-Fuß finden sich dort auch zwei exklusive Soloregister, eine Tuba mirabilis und eine Tuba sonore, zwei Zungenstimmen, die im Unterschied zum klaren Klangprofil von Flöten der Prinzipalregister das Ambiente morbider Sinnlichkeit beschwören.

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Herz-Jesu-Kirche

In der im Jahr 2000 erbauten Kirche in Neuhausen, bekannt durch ihr spektakuläres modernes Design und die "Paradisi gloria"-Konzertreihe, steht das modernste Instrument. Gebaut 2003 von der Firma Gerald Woehl aus Marburg, von der auch die neue Bach-Orgel in der Leipziger Thomaskirche stammt, hat es 61 Register in vier Werken und verwendet statt dem üblichen Gehäuse die Emporenverschalung als Resonanzraum. Ihre klanglichen Bezugspole sind Bach und Olivier Messiaen. Deswegen sind Haupt- und Oberwerk nach dem Vorbild der Silbermannorgel in der Dresdener Hofkirche disponiert, das Schwellwerk aber, mit seiner Möglichkeit, die Lautstärke des Klanges zu variieren, nach der Kirche von La Sainte Trinité in Paris, wo Messiaen lange Organist war. Obwohl auch hier eine mechanische Traktur Tasten und Pfeifen verbindet, folgt die Disposition der "Walze", mit der sich Register nach einer festen Reihenfolge dynamisch dazu schalten lassen, der expressiven Klangästhetik von Messiaen. Eine Setzeranlage nach amerikanischem Vorbild ermöglicht es 9 mal 999 Registerkombinationen vorzuwählen.

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© SZ vom 22.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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