Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2008:Ein genialer Eroberer

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Kann es nach dem Holocaust noch deutsche Künstler geben? Der Maler und Bildhauer Anselm Kiefer erhält den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Der 63-Jährige Kiefer habe eine Bildsprache entwickelt, "die aus dem Betrachter auch einen Leser macht", begründete der Stiftungsrat am Mittwoch in Frankfurt die Auszeichnung. Der renommierte Kulturpreis wird zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse am 19. Oktober in der Paulskirche verliehen und ist mit 25.000 Euro dotiert.

Anselm Kiefer freut sich über den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2008. (Foto: Foto: AP)

Kiefer habe die Form des Buches, zu einem entscheidenden Ausdrucksträger gemacht. Mit dem 63-Jährigen werde zudem ein weltweit anerkannter Künstler geehrt, "der seine Zeit mit der störenden moralischen Botschaft vom Ruinösen und Vergänglichen konfrontiert".

Anselm Kiefer, in Donaueschingen geboren, lebt seit 1993 in Frankreich. Durch die Verbindung von Kunst mit politischer Aussage hat Kiefer, ein Schüler von Joseph Beuys, in der Öffentlichkeit immer wieder Diskussionen ausgelöst. So beschäftigt er sich mit der Frage, ob es nach dem Holocaust und der Vereinnahmung der nationalen kulturellen und künstlerischen Tradition durch den NS-Staat überhaupt noch deutsche Künstler geben kann.

In seinen seinen Bildern setzt er symbolische und mythische Elemente aus der deutschen Geschichte ein. Kiefer sei zur rechten Zeit erschienen, "um das Diktat der unverbindlichen Ungegenständlichkeit der Nachkriegszeit zu überwinden", heißt es in der Begründung des Stiftungsrats weiter: "Der Künstler agiert als genialer, bewusster Eroberer, der die Mittel einer texturreichen, expressiven Malerei an sich reißt und wie Beutestücke in die eigene Bildwelt transferiert."

Mit dem Kulturpreis des Deutschen Buchhandels wird seit 1950 eine Persönlichkeit aus dem In- oder Ausland geehrt, die vor allem auf den Gebieten Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat.

Im vergangenen Jahr erhielt der jüdische Historiker Saul Friedländer den Friedenspreis. In den Jahren zuvor waren der Soziologe Wolf Lepenies und der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk ausgezeichnet worden.

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