Friedenspreis des Deutschen Buchhandels:Der handelnde Intellektuelle

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Der frühere Rektor des Wissenschaftskollegs Berlin habe sein Institut "zu dem vielleicht anregendsten und freiesten Ort Europas" gemacht, hieß es zur Begründung des Stiftungsrates.

Der Stiftungsrat begründete die Wahl des 65-jährigen unter anderem damit, dass er "durch Wort und Tat belegt, dass zwischen Verhalten und Wissen, zwischen Moral und Wissenschaft ein unauflöslicher Zusammenhang besteht".

Die mit 25 000 Euro dotierte Auszeichnung wird während der Frankfurter Buchmesse am 8. Oktober in der Paulskirche verliehen.

Lepenies wurde 1941 im ostpreußischen Deuthen geboren und gilt als wissenschaftlicher Schriftsteller, anschaulich schreibender Biograf und stilsicherer Essayist.

Zwischen den in Kunst und Wissenschaft verbreiteten Haltungen von Enthusiasmus und Skepsis habe sich Wolf Lepenies für eine dritte Haltung entschieden: für den intellektuellen Anstand, wie er ihn bei Diderot vorgebildet sieht.

"Handelnder Intellektueller"

Er hat den "handelnden Intellektuellen" in der Geschichte gesucht und ihn als einen Typus beschrieben, der für das Gemeinwohl einsteht.

Der Stiftungsrat würdigte außerdem Lepenies' Leistung im Zusammenhang mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin, das er in den 15 Jahren seines Rektorates "zu dem vielleicht anregendsten und freiesten Ort Europas" gemacht habe.

Den Samen dieses freiheitlichen Denkens habe er nach dem Mauerfall "mit großer Tatkraft auch in anderen Städten und Institutionen gepflanzt", so in St. Petersburg, Warschau, Sofia, Bukarest und in Mali.

Lepenies wurde am 11. Januar 1941 in dem zu Allenstein (Olsztyn) gehörenden ostpreußischen Deuthen geboren. Er schloss sein Studium der Soziologie 1967 in Münster mit der Dissertation "Melancholie und Gesellschaft" ab, die zwei Jahre später als Buch erschien. 1971 habilitierte er an der Berliner Freien Universität, an der er bis 2006 als Professor lehrte.

Als Lepenies' Hauptwerk gilt die Studie "Die drei Kulturen. Soziologie zwischen Literatur und Wissenschaft" von 1985. Sein Buch "Kultur und Politik. Deutsche Geschichten" über das Verhältnis von Politik und Kultur zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert erscheint im Juli.

In seiner Amtszeit von 1986 bis 2001 initiierte er unter anderem ein breit angelegtes Forschungsprogramm zum Thema Islam und intensivierte den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch vor allem mit den osteuropäischen Nachbarn durch die Einrichtung von Wissenschaftszentren.

Lepenies lebt in Berlin und hat bereits mehrere Auszeichnungen erhalten, darunter den Alexander-von-Humboldt-Preis für deutsch-französische wissenschaftliche Zusammenarbeit und den Joseph-Breitbach-Preis der Mainzer Akademie der Wissenschaften für sein Lebenswerk.

Um die Preisträger hat es wiederholt Auseinandersetzungen gegeben. So war 1995 das Votum für die Orientalistin Annemarie Schimmel umstritten, der Kritiker mangelnde Distanz zu fundamentalistischen Positionen des Islams vorwarfen.

Eine Kontroverse löste der Schriftsteller Günter Grass 1997 aus, als er in seiner Laudatio auf den türkischen Preisträger Yasar Kemal die Kurdenpolitik der Bundesrepublik kritisierte. 1998 entbrannte nach der Rede des Preisträgers Martin Walser eine monatelange Diskussion über den Umgang mit der deutschen Vergangenheit.

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