Frederick Forsyth:Kalter Flieger

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Er war Pilot bei der Royal Air Force, Journalist, Thrillerautor, schrieb die Bestseller "Der Schakal" und "Die Akte Odessa". Seine Autobiografie hat er nun programmatisch "Outsider" genannt.

Von Alexander Menden

Wenn ein Lokaljournalist behauptet, Lokaljournalismus sei eine Schule fürs Leben, dann klingt das verdächtig nach Selbstaufwertung. Wenn es ein ehemaliger Kampfpilot und Bestsellerautor sagt, bekommt es deutlich mehr Gewicht. Frederick Forsyth lernte drei Jahre lang genaues Arbeiten bei der Eastern Daily Press in King's Lynn: "Bei einer Regional- oder Lokalzeitung sind die Leser direkt draußen vor der Tür und kommen persönlich herein, um sich über Ungenauigkeiten zu beschweren", erklärt er in seiner Autobiografie. "Ich kann mich an einen alten Zausel erinnern, der puterrot vor Wut in die Redaktion gestürmt kam, um sich darüber zu beschweren, dass in dem Artikel über die Ergebnisse der Ziervogel-Ausstellung in der Getreidebörse ein Kanarienvogel an falscher Stelle aufgeführt worden war. Er war wirklich außer sich vor Wut."

Das ist bei Weitem nicht die abenteuerlichste, dennoch eine repräsentative Episode aus den Lebenserinnerungen des heute 77-Jährigen, der mit "Der Schakal" und "Die Akte Odessa" zu einem der erfolgreichsten Thriller-Schreiber der Welt wurde. Anekdotenhaft breitet "Outsider" das Leben eines Mannes aus, der außer Lokalreporter auch der jüngste Pilot der Royal Air Force war und später dem britischen Geheimdienst zuarbeitete. Nicht nur dabei sollten ihm seine Deutschkenntnisse zupass kommen, die er sich bei Sommeraufhalten als junger Gast deutscher Familien in Göttingen und Halle nur wenige Jahre nach Kriegsende erwarb. Besessen von Flugzeugen, macht Forsyth eine Pilotenausbildung bei der Royal Air Force. Der Tod eines Kameraden beim Trainingsflug in einer Vampire-Maschine verhilft dem jungen Frederick vor allem zu der Erkenntnis: "Das waren zehn Tonnen Aluminium und Stahl, die einen, wenn man sie nicht mit Respekt behandelte, töten würden."

Nach seiner Journalistenausbildung geht er nach London zu Reuters und wird, was er seit seiner Kriegskindheit in Kent werden wollte: Auslandskorrespondent. Seine Erlebnisse bei Aufständen gegen den autoritären Charles de Gaulle in Paris wird er später in "Der Schakal" verarbeiten. In der DDR muss der britische Journalist einige "sehr wütende Verhöre und Drohungen" seitens der Stasi über sich ergehen lassen, etwa von einem als "ranghöchster Blödmann" eingestuften Offizier: "Da er einiges über vierzig war, vermutete ich, dass er zwanzig Jahre zuvor unter den Nazis gedient hatte und nahtlos zu den Kommunisten übergewechselt war. Geheimpolizisten sind so; sie würden jedem dienen." Mit diebischer Freude berichtet Forsyth über seine überstürzte Abreise aus Ost-Berlin: "Ich hatte mit der Geliebten des Verteidigungsministers der DDR geschlafen, General Karl-Heinz Hoffmann." Da der General nicht im Ruf steht, "Sinn für Humor zu haben", empfiehlt sich der Korrespondent rasch und kehrt nach England zurück.

Frederick Forsyth ist ein kalter Krieger durch und durch, und das prägt seine Perspektive auf die gesamte Weltlage. Diese triumphalistische Haltung hindert ihn aber nicht, sich gegen das britische System zu stellen, wenn er glaubt, dass es falsch liegt - nicht umsonst hat er stolz den Titel "Outsider" für seine Memoiren gewählt. Zum System zählt für ihn eindeutig auch die British Broadcasting Corporation, als deren Berichterstatter er Ende der Sechzigerjahre nach Afrika geht. Rasch gerät er mit seinen BBC-Vorgesetzten in Konflikt, als seine Einschätzung des Biafra-Konflikts in Nigeria deutlich dramatischer ausfällt als die offizielle Analyse der Bürokraten des Commonwealth-Ministeriums.

Forsyth handelt konsequent, kündigt und berichtet als Freiberufler weiter aus Afrika. Noch heute macht er der britischen Regierung schwere Vorwürfe. Wegen ihrer starren Haltung gegenüber den Unabhängigkeitsbestrebungen Biafras gibt er ihr eine Mitschuld am Tod von Millionen verhungerter Kinder. Die Distanz zum System ging allerdings nicht so weit, dass er nicht auf Anfrage des britischen Auslandsgeheimdienstes Secret Intelligence Service (SIS) bereit gewesen wäre, zugleich in Afrika einer in der "breit gefächerten Armee von Freiwilligen" zu werden, "die bereit sind zu helfen, wenn man sie nett fragt".

Nach den bewegten ersten drei Jahrzehnten seines Lebens ist Forsyths Karriere als Schriftsteller dann eine Aneinanderreihung eher gemütlicher Vignetten - Buchpräsentationen, Treffen mit Regisseuren, Dinner-Partys. "Outsider" ist eine kuriose Lektüre: Man stellt sich vor, wie Forsyth vom Sessel am Kamin eines Londoner Gentlemen's Club aus eine Begebenheit nach der anderen zum Besten gibt: gelegentlich ausufernd, sich bei seltsamen Details aufhaltend (besonders bei einer schier endlosen Erläuterung der verschiedenen britischen Geheimdienstabteilungen), dann wieder seltsam knapp. Das Ganze ist durchweg nassforsch und von mehr als einem Hauch Selbstzufriedenheit umweht. Doch das kann man weitgehend verzeihen, denn diese Biografie ist ziemlich unterhaltsam.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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