Frankfurter Buchmesse:Friedenspreisträger prangert Türken-Feindlichkeit an

Lesezeit: 1 min

Der Schriftsteller Orhan Pamuk hat in seiner Dankesrede vor einer Stimmungsmache gegen sein Heimatland gewarnt. Die Auszeichnung erhält der Literat vor allem für sein politisches Engagement: Zu Hause in Istanbul erwartet ihn ein Strafprozess als "Vaterlandsverräter".

Der diesjährige Friedenspreisträger Orhan Pamuk hat eine Türkenfeindlichkeit in Europa angeprangert. Dabei nahm er auch Deutschland nicht aus. Vehement sprach er sich für den Beitritt seiner Heimat in die EU aus.

Friedenspreisträger Pamuk mit seiner Tochter. (Foto: Foto: dpa)

"Wer an die Europäische Union glaubt, sollte einsehen, dass es hier um die Alternative zwischen Frieden und Nationalismus geht", sagte er bei der Verleihung des mit 25.000 Euro dotierten Preises am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche. Laudator Joachim Sartorius würdigte Pamuks Erzählkunst als "Glücksfall der Literatur".

Die Preisverleihung ist der traditionelle Höhepunkt am Ende der Frankfurter Buchmessse. Er wird seit 1950 jährlich an Persönlichkeiten aus Literatur, Wissenschaft und Kunst vergeben, die "zur Verwirklichung des Friedensgedankens" beigetragen haben.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels begründete die Auszeichnung des 53-Jährigen damit, dass er "wie kein anderer Dichter unserer Zeit den historischen Spuren des Westens im Osten und des Ostens im Westen nachgeht."

Gerade der in Frankfurt gewürdigte Mut, "unerschrocken seine Stimme zu erheben", bringt die Nationalisten in seinem Heimatland gegen Pamuk auf. "Öffentliche Herabsetzung des Türkentums" lautet die Anklage, worauf bis zu drei Jahre Haft stehen.

Auf der Liste bedrohter Autoren

Pamuk hatte im Februar in einem Interview den Mord an Kurden und Armenier während des ersten Weltkriegs als Genozid bezeichnet - und damit ein Tabu gebrochen. Die Reaktionen kamen schnell. Der Autor wurde als Vaterlandsverräter angefeindet. Nach Drohungen erzürnter Nationalisten sagte der Romancier eine Lesereise ab. Der internationale Schriftstellerverband PEN setzte ihn daraufhin auf seine Liste bedrohter Autoren.

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels stellte sich vor seinen Preisträger und forderte die Einstellung des Verfahrens. "Die Freiheit des Wortes gehört zu den Grundwerten einer demokratischen Gesellschaft", erklärte der Vorsteher des Börsenvereins, Dieter Schormann, im Vorfeld der Preisverleihung.

Viele von Pamuks Romanen wie "Die weiße Festung", "Rot ist mein Name" oder "Schnee", die in 34 Sprachen übersetzt wurden, thematisieren die Geschichte der Türkei und seiner Geburtsstadt Istanbul.

Pamuk, der eine Tochter hat, lehnte 1999 eine angebotene Ehrung als "Staatskünstler" durch den türkischen Präsidenten ab, um sich nicht von der Politik vereinnahmen zu lassen.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: