"Focus": Fakten zur Krise:Die fetten Jahre sind vorbei

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Das bunte Magazin Focus 15 Jahre nach Start: Qualitätsprobleme, Sparzwang - und ein verdienter Gründer, der nicht loslassen darf.

Christopher Keil

Über den Chef Helmut Markwort gibt es viele nette Geschichten. So streitbar der Journalist in der Öffentlichkeit zuweilen auftritt, so hemdsärmelig er sich mit Kritik an seiner Arbeit auseinandersetzt, auf seine Leute ließ er nie etwas kommen. Sein Auftreten als Spitzenkraft von Redaktionen wird als väterlich und kollegial beschrieben - das war auch schon vor 20 Jahren so, als Markwort, der Erfinder des Magazins Focus, noch für die Programmzeitschriften Gong und Die Zwei verantwortlich war.

Helmut Markwort, Chefredakteur des Magazins "Focus". (Foto: Foto: ddp)

Damals schrieben auch Studenten der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität die Programmspalten der zwei Blätter voll, oft nachts. Nicht selten besuchte sie ein freundlicher Mann, der sich Zeit für ein Gespräch nahm und Interesse an ihrer Arbeit zeigte: Helmut Markwort.

Inzwischen ist Markwort 71 Jahre alt. Beim Fußball-Bundesligisten FC Bayern wird er als Aufsichtsratsmitglied und elder statesman geschätzt. Dass er am 18. Januar 1993 Focus in die Welt setzte und damals den Spiegel in eine Sinnkrise stürzte, hat ihm Hubert Burda nie vergessen. Focus brachte dem Verleger traumhafte Renditen und damit das traditionsreiche Zeitschriftenhaus wieder zum Blühen. Markwort, der nun seit eineinhalb Jahrzehnten im Editorial jeder Ausgabe sein gesellschaftspolitisches Tagebuch führt, trägt bei Burda den offiziellen Titel "Erster Journalist", auch vertritt er den Focus, dessen Herausgeber und Chefredakteur er immer noch ist, im Vorstand der Hubert Burda Media. Mehr Macht hat kein Journalist in Deutschland.

Doch die fetten Jahre sind selbst für den Focus vorbei. Das mittlerweile sehr Nutzwert orientierte Heft aus München hat mit den strukturellen (Internet) und konjunkturellen Veränderungen (anhaltende Werbeflaute) aller publizistischen Unternehmen zu kämpfen. Neueste Zahlen haben eine alarmierende Wirkung. So verlor Focus laut Allensbacher Werbeträger-Analyse (AWA) eine Viertelmillion Leser in der Reichweite, schwerer wiegt aber der Einbruch der Anzeigenseiten. Der Zentralen Anzeigenstatistik (ZAS) des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger zufolge verlor Focus im zweiten Quartal 2008 genau 133,3 Anzeigenseiten im Vergleich zum Vorjahr, der Spiegel nur 2,6 Seiten.

"Werden Sie Zukunfts-Optimist"

Anfang dieser Woche haben Hubert Burda und seine Vorstandsmanager Einsparungen bei der Printsparte beschlossen, zehn Prozent in den kommenden 18 Monaten bis Ende 2009. "Wegen des zu erwartenden Rückgangs im Printgeschäft hat der Vorstand von Hubert Burda Media die entsprechenden Geschäftsführer der Holding gebeten, Vorschläge für moderate Einsparungen in Höhe von circa fünf Prozent für jeweils 2008 und 2009 einzureichen", bestätigt ein Verlagssprecher. Nur, wie soll beim Focus gespart werden? Durch Personalabbau? Burdas "Erster Journalist"hat darauf keine Antwort. Markwort lässt auf mehrere Detailfragen kryptisch übermitteln: "Die Redaktionskonferenz (des Focus) ist grundsätzlich genauso intern und diskret wie die Konferenz der Süddeutschen Zeitung."

Markwort hat gerade noch ein ganz anderes Problem: die Titelgeschichte der aktuellen Focus-Nummer. "Werden Sie Zukunfts-Optimist!" forderte Focus am 7. Juli - völlig unbeeindruckt davon, dass in Deutschland die Energiepreise gespenstisch in die Höhe schnellen, weshalb die Konkurrenz vom Spiegel an diesem Montag den Fall Atomkraft aufs Cover hob.

Der Zukunftsaufmacher des Focus besteht aus vier Teilen. Teil eins fasst das 2007 erschienene Buch Anleitung zum Zukunfts-Optimismus des Trend- und Zukunftsforschers Matthias Horx auf zwei Seiten zusammen. Teil zwei ist ein dreiseitiges Interview mit Matthias Horx. Teil drei besteht aus einem zweiseitigen Essay - von Matthias Horx. Seit Dienstag soll in der Focus-Redaktion deswegen gestritten worden sein: als würden die Focus-Redakteure jetzt eine Qualitätsdebatte um ihr Heft führen, gewissermaßen von unten.

"Fakten, Fakten, Fakten"

Während Markwort und sein Co-Chefredakteur Uli Baur offenbar Maulwürfe suchen, die von den internen Auseinandersetzungen berichtet haben sollen, beschäftigt die Journalisten des Blattes - von denen einige Preise gewonnen, andere exklusive Geschichten recherchiert haben - auch die künftige Ausrichtung des Focus. Wieviele "Zukunfts-Optimisten" gibt es bei diesem Thema? Kritik an Markwort verbietet sich, das ist systemimmanent. Doch der Blatt-Gründer, der das geheime Projekt "Zugmieze" zur spektakulärsten Neugründung der Branche veredelte und sich mit dem "modernen Nachrichtenmagazin" ( Focus) zu Recht ein publizistisches Denkmal setzte, wird eines nicht mehr ganz so fernen Tages die Redaktion verlassen. Wer soll ihm folgen?

Seit Mittwoch fehlt das "Titel-Video", mit dem Focus-Online die Titelstory des aktuellen Magazins bewirbt. Zu sehen war die Autorin der Zukunftsschmeichelei: "Fakten, die Sie überraschen werden", kündigte ein Off-Sprecher an, die Autorin habe mit "Experten" gesprochen. Man sah die Autorin schließlich im Gespräch mit einem Wahrsager. Das können nicht die Fakten sein, die Markwort meinte, als er das Motto "Fakten, Fakten, Fakten" für den Focus ausgab. Markwort kannte das Video offensichtlich nicht. Den richtigen Nachfolger hat er wohl noch nicht gefunden. Auch das ist eine Geschichte.

© SZ vom 11.7.2008/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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