Film:Die Verlierer haben gewonnen

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Ob bei "Malcolm mittendrin", "Wunderbare Jahre" oder auch "American Pie" - sie sind überall dabei. "Geeks": Hollywood entdeckt die Kaufkraft von Sonderlingen.

Von Susan Vahabzadeh

(SZ vom 22.08.2003) — In der amerikanischen Unterhaltungsbranche macht sich gerade der geek-chic breit: Die Geeks, bislang klassische Verlierer, werden zu Helden. Im Fernsehen kann man das bei der Serie "Malcolm mittendrin" beobachten: Malcolm ist in der Begabtenklasse, nicht sehr hübsch, unbeliebt bei den "normalen" Kindern - beim Publikum aber ist er ausgesprochen populär.

Und dann gibt es die "American Pie"-Filme, deren dritter Teil gerade bei uns angelaufen ist - hier sind die Geeks gar romantische Helden; wobei es an ihrer Schule selbstverständlich einen Typen gibt, der noch merkwürdiger ist als sie. Die amerikanischen Geeks kann man nicht übersetzen, weder sprachlich noch bildlich.

Geek: Häufig männlich und von Natur aus hässlich

Man kann es mit Streber, Fachidiot und Sonderling versuchen, aber eigentlich ist der Geek (ursprünglich eine Jahrmarktsattraktion) eine amerikanische Sonderform all dessen, was überwiegend Pausenhöfe bevölkert, meist eine Brille trägt, häufig männlich ist und von Natur aus hässlich.

Der Geek ist lebensuntüchtig, ein echter Außenseiter, bei Mädchen chancenlos - unsere Vorstellung vom Streber und vom zerstreuten Professor kann sich damit nicht messen. Aber wir hätten ja vielleicht auch größere Probleme mit den Leseschwächen von Staatsoberhäuptern.

In seiner jugendlichen Form hat der Geek vor allem in den amerikanischen Highschool-Filmen und TV-Serien der Achtziger sein Unwesen getrieben, Anthony Michael Hall in "The Breakfast Club" oder "Ferris macht blau", wo Alan Ruck den besten Freund spielt, dessen größtes Problem das Streben nach Funktionstüchtigkeit ist.

Im Fernsehen hatte Michael J. Fox einen Geek-Freund in "Familienbande", und Fred Savage in "Wunderbare Jahre". Letzterer ist zu einer wahren Internet-Legende geworden: Es hält sich hartnäckig das Gerücht, die Rolle als merkwürdiger, hässlicher Streber habe den kleinen Josh Saviano so gequält, dass er heranwuchs zum Schockrocker Marilyn Manson. (Stimmt aber nicht.)

Bislang sah die Sache so aus: Im Kino ist der Geek ein Sidekick, eine Nebenfigur, auf dessen Kosten sich die Stars amüsieren. Im richtigen Leben will keiner mit ihm spielen. Er hat also Zeit für andere Aktivitäten: Comic-Bücher sammeln. Trekkie-Conventions besuchen. Stundenlang im Internet surfen. Ins Kino gehen. Eine ideale Zielgruppe für die Filmstudios.

Geek-Chic-Offensive

Variety will bei den Marketingstrategien der Studios eine neue Geek-Chic-Offensive entdeckt haben, die die Sonderlinge einspannt, um im Internet und bei der Mundpropaganda auf den Schulhöfen die Kunde von großartigen Special-Effects und wunderbaren Merchandising-Artikeln zu verbreiten.

Das heißt, dass beispielsweise in letzter Zeit gezielt für Filme auf Trekkie-Conventions geworben wurde, wo die Star-Trek-Fans unter sich bleiben. Man versucht, die Internet-Begeisterung der Computer-Geeks zu nutzen, die Chatroom-Besucher mit Werbung zu impfen.

Dabei gehen die Studios automatisch davon aus, dass jemand, der einen zwanzigseitigen Aufsatz über einen Film ins Internet stellt, ohne dass ihn darum jemand gebeten hat, ein ziemlicher Sonderling und Einzelgänger sein muss.

Die Teenager stellen ohnehin die größte Publikumsgruppe fürs Kino. Vor allem aber tun die jugendlichen Sonderlinge etwas, wofür Erwachsene und Mitglieder des Football-Teams gar keine Zeit haben: sich den selben Film fünf Mal anschauen. Einer Zielgruppe mit soviel Potenzial muss etwas geboten werden.

Natürlich hat es auch früher schon Geeks gegeben im Kino, die trotzdem erfolgreich waren bei Frauen - Cary Grant als lebensuntüchtiger Professor in "Bringing up Baby" beispielsweise, und Woody Allen, den König aller Geeks. Ihm kann keiner das Wasser reichen, denn er hat in seinen Filmen am Ende immer schon die Mädchen bekommen - er war halt klug genug, die Drehbücher selbst zu schreiben.

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