Festival:Sprache und Gewalt

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Das Programm des Literaturfests ist ambitioniert

Von Antje Weber, München

"Das ist jetzt das verflixte siebte Jahr", sinniert Hans-Georg Küppers. Ein "Krisenjahr in Ehe und Beziehung", so raunt der Kulturreferent bei der Pressekonferenz zum Literaturfest, in Anspielung auf Billy Wilders berühmten Film. Und er fragt: "Müssen wir uns Sorgen machen?"

Die Frage ist natürlich eine rhetorische und wird von Küppers sofort mit mehreren Neins beantwortet. Und schaut man sich die Fülle an unterschiedlichsten Themen und Namen an, die viele weitere Redner an diesem Vormittag im Literaturhaus präsentieren, so kann man sich getrost anschließen: Das Programm des diesjährigen Literaturfests, das vom 10. bis 19. November an vielen Orten der Stadt den Fokus auf das Buch richtet, klingt so anspruchsvoll wie abwechslungsreich - und es könnte verflixt schwierig werden, sich zwischen den unzähligen Lesungen, Diskussionen und, ja, Bänkelbars entscheiden zu müssen.

Die Bänkelbar ist eine Erfindung von Elke Schmitter, der diesjährigen Kuratorin des Forum:Autoren. Ihr Motto heißt "ein wort gibt das andere", und dessen Kleinschreibung, so stellt sie gleich fröhlich klar, sei kein Zufall, sondern "Konzept". Ihr Konzept der Sprach-Umkreisung ist ambitioniert, soviel wird schon bei der Einspielung einiger Film-Ausschnitte von Lena Herzogs "Last Whispers" über aussterbende Sprachen deutlich. Neben den an Prominenz nicht zu übertreffenden zwei Nobelpreisträgerinnen Herta Müller und Swetlana Alexijewitsch, die über Sprache und Poesie in Diktaturen diskutieren, will die Kuratorin zum Beispiel in besagten Bänkelbars die mittelalterliche Tradition wiederbeleben, Botschaften über Gesang zu vermitteln. Und welche Botschaften wohl zu vernehmen sein werden, wenn bei einem sprachästhetischen Symposion ein Esperanto-Aktivist mit einem CSU-Politiker über "Muttersprache" diskutiert?

Wer keinen Zugang zu diesem sprachkritischen Ansatz haben sollte, der wird sich vielleicht bei den Lesungen der Bücherschau wiederfinden: Thomas Kraft hat für sein Programm im Gasteig das Thema "Gewalt" als roten Faden gewählt. Dazu gehören für ihn zum Beispiel die "unheimliche Sprachgewalt" eines Donald Ray Pollock oder der albtraumhafte Roman "Der letzte Granatapfel" des Nordirakers Bachtyar Ali. Wer die ganz großen Namen liebt, der wird auch hier fündig: Martin Walser und Denis Scheck preisen an einem gemeinsamen Abend nicht einander, sondern das Werk Jack Londons. Und auch das Familienprogramm glänzt - nicht nur - mit Prominenz: Bestsellerautorin Cornelia Funke hat sich angekündigt. Die neue Literaturhaus- und damit Literaturfest-Chefin Tanja Graf steuert ebenfalls wohlklingende Namen bei: Mit Christoph Ransmayr und Sibylle Lewitscharoff, Mathias Énard und Shumona Sinha setzt sie auf "die Macht des Erzählens". Mit Geschichten von außen sollen die Besucher den Blick auf die eigene Welt richten - und sich selbst erkennen: "Das ist das Schönste und Wichtigste, was uns Literatur liefern soll."

Weitere Infos: www. literaturfest-muenchen.de

© SZ vom 28.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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