Festival:Rückblick nach vorn

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Jedes Jahr eine Entdeckung: diesmal Marïa Barouh, die japanischen Gesang, Klang-Experimente und Punk-Attitüde mischt. (Foto: Bayerischer Hof)

Beim 25. Jazz-Sommer im Bayerischen Hof erinnert Programmchefin Katarina Ehmki an die Ursprünge des Festivals und stellt Newcomer vor

Von Oliver Hochkeppel

Hat ein Festival ein Vierteljahrhundert hinter sich, dann ist es Zeit zu feiern, aber auch ein wenig innezuhalten. Der Jazz-Sommer im Bayerischen Hof ist an diesem Punkt angelangt. 1992 stieg die jazzbegeisterte Innegrit Volkhardt, damals noch Juniorchefin, beim elf Jahre zuvor lancierten Klavier-Sommer ein. Als es mit dem vorbei war, machte sie einfach in Eigenregie und unter dem passenderen Titel Jazz-Sommer weiter. Die Woche mit mindestens sieben Konzerten ist seither das einzige Münchner Jazzfestival von internationalem Zuschnitt.

Dementsprechend hat die Programmchefin Katarina Ehmki fürs Jubiläum vom 18. bis zum 23. Juli vor allem Künstler gebucht, die auf besondere Weise mit dieser Geschichte verbunden sind. Der amerikanische Blues- und Fusion-Gitarrist Robben Ford beispielsweise ist nicht nur ein langjähriger Stammgast im Nightclub, sondern tatsächlich der erste Musiker, der dort beim Klavier-Sommer auftrat. Folgerichtig darf der 64-jährige Kalifornier, der mit Miles Davis und Chick Corea ebenso gespielt hat wie mit George Harrison, Joni Mitchell und B.B. King, im Trio mit seinem Bassisten Brian Allen und seinem Schlagzeuger Wes Little den Reigen dort eröffnen - nachdem ein anderer Miles-Davis-Veteran und alter Bekannter oben im großen Festsaal den Startschuss gegeben hat: Bass-Legende Marcus Miller stellt sein aktuelles Programm "Afrodeezia" vor, auf dem er seinen afrikanischen Ahnen Tribut zollt. "Seit Jahren wollten wir ihn wieder holen, nie hat es mit den Terminen gepasst. Umso glücklicher sind wir, dass es zum Jubiläum klappt", sagt Ehmki. Ein Nostalgie-Termin wird das nicht: Der 56-Jährige hat nach einigen Jahren der Stagnation wieder Feuer gefangen, sich mit jungen Wilden wie dem Saxofonisten Alex Han und dem Schlagzeuger Alex Bailey umgeben und für neue stilüberschreitende Pfade geöffnet.

Stets ein Vorreiter war der dänische Trompeter Nils Petter Molvaer, ein lang Ersehnter, der jetzt zum Jubiläum erstmals beim Jazz-Sommer spielt: Er steht für die Verbindung von Jazz mit elektronischer Musik. Die Balance aus akustischen und synthetischen Klängen, Traditionellem und Futuristischem gelang ihm auch auf dem aktuellen Album "Switch", das er hier vorstellen wird. Außerdem gewährt er einen Ausblick auf das neue Album "Buoyancy", das im September erscheint. Es folgt der neben Paulo Fresu bedeutendste italienische Trompeter: Der 76-jährige Enrico Rava, der mit seinem stets eleganten, ebenso leichten wie intensiven Ton nicht zum ersten Mal für magische Momente im Nightclub sorgen wird. Wie so oft hat er herausragende italienische Talente an seiner Seite, den Gitarristen Freáncesco Diodati etwa, der gerade beim Südtirol-Festival für Furore sorgte.

Nach dem Blech kommen dann die Tasten an die Reihe: Schon beim Klavier-Sommer ein Star war der Kubaner Gonzalo Rubalcaba, der seine unnachahmliche Technik, Time und Improvisationsfähigkeit nun im Volkan Trio mit Horacio "el Negro" Hernandez an den Drums und Armando Gola am Bass ausspielt. Nicht minder prominent ist der lange nicht mehr in München zu erlebende Pianist: Der 72-jährige Kenny Barro ist so etwas wie der Lordsiegelbewahrer des klassischen Modern Jazz, wie er gerade mit seinem Album "Book Of Intuition" bewiesen hat.

Ein Mix aus Tradition und Innovation kennzeichnet das Finale und das Rahmenprogramm. Für die Party im Festsaal sorgt diesmal keine Latin- oder Salsaband, sondern das wiedererstandene, powergeladene New Yorker Fusion-Kollektiv Brooklyn Funk Essentials. Und seit Katarina Ehmki vor drei Jahren die künstlerische Leitung übernommen hat, präsentierte sie stets auch einen außergewöhnlichen Newcomer: In die Fußstapfen von Butterscotch, Esther Rada und Guillaume Perret - alle Volltreffer, die inzwischen ihren Weg gemacht haben - tritt heuer die französisch-japanische Sängerin und Flötistin Maïa Barouh. Die Tochter des Komponisten Pierre Barouh - der mit "Un homme et une femme" einen Welthit hatte - ist mit der extravaganten Stimmtechnik ihres japanischen Gesangs, ihren Sound-Experimenten mit Querflöte, Elektro-Beats und Punk-Attitude eine spannende Exotin.

Wie gewohnt sind jeweils vor den Konzerten in der Cinema Lounge, Münchens exklusivstem und luxuriösestem Kinosaal, passend ausgewählte Musikfilme zu sehen, von Porträts und Dokumentarfilmen über B.B. King, Miriam Makeba, Gilberto Gil, Keith Richards und Amy Whinehouse bis zur sehenswerten Begegnung von Till Brönner mit dem Liedermacher Jonathan Jeremiah in der Arte-Reihe "Durch die Nacht". Eine Fotoausstellung unter dem Titel "View Of Jazz", kuratiert von Tibor Bozi, zeigt schließlich gut 50 Bilder der wichtigsten Gäste in der Jazz-Sommer-Geschichte, aufgenommen von Bozi selbst, Sepp Werkmeister, Godehard Lutz, Thomas Krebs und Ralf Dombrowski.

Jazz-Sommer, Montag bis Samstag, 18. bis 23. Juli, Hotel Bayerischer Hof, Promenadeplatz 2, 21 20 73 00

© SZ vom 16.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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