Festival:Revue für den Dramatiker

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Wie sich extremistisches Gedankengut in den Köpfen festsetzt, macht Max Pfnür mit Ödön von Horváths "Ein Kind unserer Zeit" nachvollziehbar. (Foto: Michael Grössinger)

Die Murnauer Horváth-Tage zeichnen die Lebenslinien des Autors nach

Von Sabine Reithmaier, Murnau

Das Motto war dieses Mal einfach zu finden. Die Ödön-von-Horváth-Gesellschaft Murnau hat nämlich 23 Dokumente und drei Roman-Erstausgaben aus dem Nachlass des Dichters erworben. Weil die Unterlagen zum Teil sehr persönlich sind, war es für Georg Büttel, den künstlerischen Leiter der Horváth-Tage, nur logisch, sich mit den "Lebenslinien" des Schriftstellers auseinanderzusetzen.

Im Schlossmuseum werden die Dokumente während des Festivals erstmals präsentiert. Darunter der Führerschein, den Horváth 1934 in Berlin machte, obwohl er Autos hasste; eine Ansichtskarte, die er unmittelbar vor seinem Tod an seinen Bruder schrieb; ein verblichener Taufschein von 1901, dessen ausgefranste Ecken daran erinnern, wie viel sein Besitzer unterwegs war. In Murnau hat Horváth von 1924 bis 1933 gelebt, solange es eben ging. Nach einer Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten im Hotel Post blieb ihm nicht viel anderes übrig als zu flüchten.

Der Taufschein ist ausgestellt in Rijeka, wo Horváth geboren wurde; er reiste mit nach Belgrad, Budapest, München, Pressburg, wohin der Vater, ein ungarischer Diplomat, versetzt wurde. Später kamen noch Murnau, Berlin, Salzburg, Paris dazu. Viele Lebensstationen also - ideal, um eine Revue zu entwickeln, fand Jonas Meyer-Wegener, einer aus Büttels "Kern-KreativTeam". Sieben Schauspieler verkörpern die sieben wichtigsten Städte in Horvaths Leben, philosophieren darüber, wie es dem Dichter ergangen wäre, wenn er am jeweiligen Ort geblieben wäre (10. und 12.11.).

Seit 1998 finden die Horváth-Tage im dreijährigen Turnus statt. Immer mit eigenen Theaterinszenierungen, Lesungen und gemeinsamen Projekten mit anderen Einrichtungen. In diesem Jahr etwa mit dem Oberstufentheater des Staffelsee-Gymnasiums, das sich mit Performances an verschiedenen Schauplätzen im Markt beteiligt. Oder mit "Iaqlag", einer Theatergruppe aus "schutzgebenden und schutzsuchenden" Jugendlichen aus Murnau, die sich ein Märchen des Dichters vorgenommen haben. Nicht zu vergessen die "Horváth-Gespräche", die diverse Aspekte im Werk des Autors wissenschaftlich beleuchten. "Neben Wien und Graz ist Murnau eine gute Adresse, um das Neueste über den Autor zu erfahren", sagt Büttel.

Als Theaterstück hat er sich "Ein Kind unserer Zeit" vorgenommen, den posthum erschienenen Roman über einen Soldaten, der sich der Sinnlosigkeit seines Tuns bewusst wird. "Das passt gut ins Konzept", findet er. Sogar die Bundeswehr hat sich mit jeweils 60 Mann für zwei Vormittagsvorstellungen angekündigt. Büttel hat Erfahrung mit dem Text. Vor 15 Jahren hat er bereits einmal eine Theaterfassung erarbeitet, damals mit Sebastian Bezzel in der Hauptrolle. Dieses Mal übernimmt Max Pfnür den Monolog. Mit beiden Schauspielern arbeitet Büttel auch im ebenfalls von ihm geleiteten "Garmischer Kultursommer" zusammen. "Das ist eben mein persönliches Netzwerk", sagt er. "Ich mag es, mit Leuten zu arbeiten, deren Lauflinie ich kenne." Die meisten kennt er sehr lange.

Der gebürtige Garmisch-Partenkirchner entdeckte seine Leidenschaft fürs Theater im "Abiturienten-Kabarett" und in Jörg Maurers Theatergruppe "Der Schminkkasten". Der 22-jährige Büttel war 1991 erst nur für das Programmheft engagiert. "Aber dann wurde einer krank, dann noch einer und plötzlich hatte ich das Programmheft und drei Rollen." 1992 gründete Büttel im Garmischer Jugendzentrum mit Gleichgesinnten die Gruppe "Tour de Farce". Schon damals mit den Leuten, mit denen er heute noch arbeitet: Bühnenbildner Thomas Bruner etwa oder die Schauspielerin Angela Hundsdorfer.

Als Jörg Maurer 1994 in Schwabing das "Unterton" übernahm, bot er Büttel den Posten als "Hausregisseur" an. Der ließ mit Freuden sein eben begonnenes Theaterwissenschaftsstudium sausen. Mit Bezzl, Dominikus Zwink und Andreas Hohenadl fand er sich zur Kabarettgruppe "Kummerspiele" zusammen. Als Zwink ausstieg, ergänzte Christoph Süß die Truppe. "Das war gut, denn wir konnten weder singen noch beherrschten wir Instrumente." Ganz im Gegensatz zu Süß.

Das weitere ergab sich "organisch". Büttel ging 1997 nach Schwäbisch-Hall als Regieassistent, Dramaturg und Darsteller und begann 1998 parallel als Autor für den BR zu arbeiten, anfangs auch für Süß' Magazin "Quer". Inzwischen schreibt er Drehbücher für BR-Galas, etwa anlässlich des Bayerischen Filmpreises. Und was das Netzwerk betrifft: Christoph Süß moderiert die Verleihung des Ödön-von Horváth-Preises. Den Ehrenpreis erhält Edgar Reitz, den Förderpreis die Schauspielerin Gesche Piening.

Murnauer Horváth-Tage , Do., 3., bis Sa., 12. November, www.horvath-gesellschaft.de

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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