Festival Politik:Verführungskunst

Von Egbert Tholl

"£¥€$". Pfund, Yen, Euro, Dollar. So hieß die aufregendste Theateraufführung, die in diesem Jahr in München zu sehen war. Dank dafür an das insgesamt beeindruckende Festival Politik im freien Theater, das mit Geschick und Instinkt Diskurs mit spielerischer Vielfalt verband. Was das belgische Kollektiv Ontroerend Goed in £¥€$ macht, ist im Kern Mitmachtheater, also eigentlich ein Graus. Hier aber will man gar nicht mehr aufhören, weil die Aufführung, deren Teil man ist, beim Zuschauer die niederen Suchtinstinkte weckt. Man sitzt in der Muffathalle an Spieltischen und zockt. Jeder Mitspieler ist Stellvertreter einer Bank, jeder Tisch ein Staat, jeder Einsatz eine spekulative Finanzinvestition. Die Geschäfte laufen gut, das Risiko steigt und dann kracht alles zusammen. Erst haben sich die Banken mit waghalsigen Geschäften ruiniert, dann ganze Staaten. Im eigenen Tun begreift man unmittelbar den Irrsinn der globalen Finanzwelt. Ontroerend Goed machen den Zuschauer mit genau recherchierten Mechanismen zum bereitwillig Verführten.

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