Bayern und Brasilien verbindet nicht nur die Liebe zum Fußball. Der Freistaat Bayern und der Bundesstaat São Paulo sind ökonomisch und kulturell Partner. In seiner Reihe "Teamtheater Global" widmet das Teamtheater nun eine Ausgabe der Großregion São Paulo gemeinsam mit dem Verein Lusofonia und dem Zuckerhut Verlag, dem daran gelegen ist, brasilianisches Theater nach München zu bringen. An vier Abenden präsentieren sich brasilianische Autoren, Dramaturgen und Regisseure und ihre Übersetzer mit szenischen Lesungen Gesprächen und Musik.
Die Megacity São Paulo taugt so ganz und gar nicht für die gängigen Klischees von Strandschönheiten, Samba und Sonne, die Brasilien trotz der derzeitigen Staatskrise anhaften. Kino, Theater und Literatur in Brasilien hielten diesem tropischen Koloss schon immer einen Zerrspiegel vor. Oft mit farbenfrohem Humor, und doch überwiegen unzählige graue Schattierungen. Und es zeigen sich Gewalt, die Zwänge, die Hoffnungslosigkeit, das Leben der kleinen Leute, der Bewohner der Favelas, die durch das Raster fallen.
Luiz Ruffato etwa seziert in seinem Episoden-Roman "Es waren viele Pferde" existenzielle menschliche Nöte der Bewohner des Molochs São Paulo. Vor kurzem erhielt er gemeinsam mit seinem Übersetzer Michael Kegler den Internationalen Hermann-Hesse-Preis. Der brasilianische Kultautor kommt den Menschen ganz nahe, er ist einer von ihnen. Ein Sohn, der seiner Mutter ein Geschenk kaufen will, und es nicht kann. Ein Vater, der keine Zähne mehr im Mund hat, ein Greis mit verwittertem Gesicht, der in seinem Einkaufswagen Windeln durch den Supermarkt schiebt, die er nicht bezahlen kann. Eine Frau, die an der Kasse erschossen wird, noch den Gedanken im Kopf, endlich eine Diät anzufangen.
Michael Kegler präsentiert in einer szenischen Lesung das Stück "Wer Augen hat, der sehe", das die Theatertruppe "Companhia do Feijao", die "Kompanie Schwarze Bohne" aus Ruffatos Roman entwickelt hat. Pedro Pires, Gründer der Gruppe, und der Regisseur und Dramatiker Zernesto Pessoa werden anwesend sein.
Auch die Anthologie "Microcontos, Kürzestgeschichten aus Brasilien", thematisiert in teils lustigen, teils erschreckenden Kurztexten genau diese scharfkantigen Brüche, die für das Zauberland Brasilien so charakteristisch sind. Wanda Jakob, die die Geschichten auch übersetzt hat, liest mit musikalischer Begleitung Auszüge aus den Texten von Marçal Aquino, Marcelino Freire, Ivana Arruda Leite, Luiz Ruffato und Veronica Stigger.
Am Eröffnungsabend führt der Autor, Regisseur und Schauspieler Newton Moreno, der aus Recife stammt, das Publikum in den dürren brasilianischen Nordosten. Er stellt sich die uralte Fragen des Theaters: Was ist Sein, was Schein? Liebe, Mann, Frau, Körper. Was ist die Norm? Warum erschreckt uns das Abweichen von der Norm? Und gibt es wirklich bedingungslose Liebe?
Auch am letzten Abend des Festivals stellt der Dramaturg und Theaterkritiker Bosco Brasil eine Frage: "Glauben Sie, dass es auf dieser Welt noch einen Platz für Theater gibt? Das Zweipersonenstück "Neue Verordnungen für die Zeiten nach dem Krieg" ist Teil von Boscos "Trilogie der Gewalt", die mehrfach ausgezeichnet und verfilmt wurde. Es führt ins Rio de Janeiro des Jahres 1945 direkt in die brasilianische Einwanderungsbehörde. Dort trifft der polnische Jude Clausewitz ausgerechnet auf einen früheren Folterknecht des Diktators Getúlio Vargas. Nur wenn er eine Wette gewinnt und den Beamten zum Weinen bringt, wird er einen Passagierschein erhalten. Das Flüchtlingsthema, Unmenschlichkeit und Gewalt zeigen sich auch in diesem Einakter als zeitlos und weltweit übertragbar.
Das Teamtheater Global beleuchtet mit diesem kleinen Brasilien-Festival, dem eine Woche später die brasilianischen Filmtage folgen, Irrwege, die symbolhaft sind für das Leben in einem mörderischen System, das trotzdem irgendwann ein Paradies sein könnte. Oder zuweilen schon ist.
Teamtheater global. São Paulo, Mittwoch, 12., bis Donnerstag, 20. Oktober, Teamtheater , Infos unter www.teamtheater.de