Festival:Krawallbrüder, Trophäensammler und wahre Rocker

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Nach einem Krankenhausaufenthalt ist Anthony Kiedis, der Sänger der Red Hot Chili Peppers, wieder hörbar einsatzbereit. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Rock im Park endet ohne große Wetterstörfälle mit dem Auftritt der "Red Hot Chili Peppers" und einem unvermuteten Sonnenuntergang

Von Dirk Wagner, Nürnberg

Rock im Park bot dieses Jahr mehr Wasserstellen an. Damit reagierte der Veranstalter auf die Hitzewellen, die in den Vorjahren das Festival belastet hatten. Heuer war man froh, wenn das angekündigte Unwetter die Konzerte nur einmal kurz unterbrach. Das Zwillingsfest Rock am Ring wurde am dritten Tag komplett abgesagt, während das Festival in Nürnberg mit einem sommerlichen Sonnenuntergang endete. Auf der Bühne ging die Sonne musikalisch auf, als die Red Hot Chili Peppers dieselbe betraten, um nach einem jazz-artigen Intro zwei Stunden zu begeistern.

Man vermisste wenig, außer die heiß erwarteten Songs vom neuen Album "The Getaway", das am 17. Juni nach fünfjähriger Pause erscheint. Außer dem Titelsong und der aktuellen Single verriet das Live-Set der Kalifornier keinen einzigen Ton daraus. Gerade mal einen weiteren Songtitel, nämlich "We Turn Red", rief der Sänger ins Mikrofon, nachdem sich die Band in der Zugabe mit Songs wie "Sir Psycho Sexy", dem Robert Johnson-Cover "They're Red Hot" und "Give It Away" ins Jahr 1991 gebeamt hatten. Damals gelang der Band mit besagten Songs vom fünften Album "Blood Sugar Sex Magik" der kommerzielle Durchbruch. Ihr Mega-Hit "Under The Bridge" vom selben Album, den die Red Hot Chili Peppers einen Tag zuvor noch bei Rock am Ring gespielt hatten, fehlte in Nürnberg. Und das, obwohl der Auftritt um eine halbe Stunde länger war als am Vortag, wo man wegen der vorausgegangenen Gewitter versucht hatte, möglichst viel vom tagsüber ausgefallenen Programm nachts nachzuholen. Der Abschied der gleich am ersten Tag in Nürnberg gefeierten Rocklegende Black Sabbath fiel am Sonntag auf dem Zwillingsfestival in der Osteifel jedoch aus.

So lässig sich das Festival derweil auf dem Zeppelinfeld in Nürnberg gebärdete, wo beispielsweise der Sänger der Deftones sein Mikrofon noch gleich einem Lasso durch die Luft wirbelte wie dereinst der The-Who-Sänger Roger Daltrey, so sorgsam beobachtete man im Hintergrund auch hier das Wetter, das sich nach Angaben des Veranstalters halbstündig ändern könne. Für den Notfall wurden ihm bereits drei Messehallen zum Schutz der Besucher bereitgestellt. Solch zusätzliches Engagement der Stadt belegt einmal mehr, wie sehr die Nürnberger hinter jenem jährlichen Rockfestival stehen, das längst schon ein internationales Publikum lockt.

Die Festivalbändchen, die zur Einlass-Berechtigung um die Handgelenke der Besucher gebunden sind, werden sogar als Trophäen gesammelt. Weil er sich solche an seinem Unterarm über die Jahre angesammelten Trophäen für den Dienst in der Bundeswehr abschneiden musste, nähte der kreative 25-jährige Oberfranke Marcello Minutella aus seinen Armbändchen von Rock im Park und anderen Rockfestivals eine sehr individuelle Krawatte, die er nun stolz um seinen Hals gebunden präsentierte. Und er verriet: "Ich schau mir jetzt noch ein bisschen Heaven Shall Burn an, bevor ich zum Red-Hot-Chili-Peppers-Konzert auf der Zeppelin Stage geh."

Dann stürmen Heaven Shall Burn aus Thüringen die etwas kleinere Park Stage mit einem Szenario, das in Bühnenbild und Pyrotechnik Kriegsszenen nachzeichnet. "Habt ihr Bock auf ein bisschen Krawall aus dem Osten", röhrt der Sänger ins Mikrofon und attestiert ein wenig hämisch: "Ihr habt Euch entschieden. Billy Talent spielen drüben schließlich ja auch noch." Dann brettern die Jungs aus dem Osten ein Rockkonzert nieder, als wollten sie sagen: "Wir sind die wahren Rocker. Der Rest ist nur noch Pop." Dem Publikum, das das Rockfestival ohnehin mehr als eine einzige Party begreift, ist das allerdings schon immer egal gewesen.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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