Festival:Instrumenschen

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Martin Kraemer hat sich ein Pedalpiano bauen lassen. Mit ihm begleitet und vertont er die literarischen Texte, die der Radiomann Jürgen Jung liest. Zu erleben sind sie am Freitag ab 21.30 Uhr. (Foto: Jazzfest)

"Hören Sie Stimmen!" ist das diesjährige Motto des 26. J.I.M. Jazzfests. In der Black Box im Gasteig stehen drei Tage Gesang und Sprache im Mittelpunkt

Von Oliver Hochkeppel

Auch wenn erfreulicherweise mit der Milla oder der Bar Gabanyi ein paar Möglichkeiten dazu gekommen sind: Sehr viele Gelegenheiten gibt es für Münchner Jazzmusiker nicht, sich dem heimischen Publikum zu präsentieren: Einer ständig wachsenden Zahl exzellenter Musiker stehen nach wie vor verschwindend wenige Auftrittsmöglichkeiten gegenüber. Umso begehrter sind daher die drei Tage im Jahr, wenn J.I.M., die Jazzmusiker-Initiative München, wieder ihr Jazzfest ausrichtet.

Immerhin schon zum 26. Mal findet das feine, kleine Festival statt, das nach einigen Krisen und langen Jahren der Wanderschaft inzwischen eine adäquate Öffentlichkeitswirkung und im Gasteig eine Heimat gefunden hat. Der ist zwar kein einfaches Pflaster für Jazz, trotzdem fühlt man sich hier am richtigen Ort, wie der Initiativ-Vorsitzende und Pianist Andy Lutter betont, sei doch die Einladung ins städtische Kulturzentrum ein Signal, sozusagen amtlich akzeptiert und aufgenommen zu sein. Das sah lange Jahre anders aus.

Doch mit Lutter, dem Saxofonisten und Kulturmacher Michael Wüst, dem Schlagzeuger Sunk Pöschl sowie der Promoterin Petra Windisch-de Lates verfügt das Jazzfest über ein seit Jahren eingespieltes Organisationsteam, das mit dem Kulturreferat, dem Bayerischen Rundfunk und einigen Sponsoren inzwischen verlässliche Partner an sich binden konnte. Auch künstlerisch hat das Festival an Bedeutung gewonnen, spätestens seit man vor einigen Jahren begann, der lockeren Szene-Leistungsschau ein Motto als programmatische Klammer vorzugeben. Nach eher abstrakten Themen wie "Medusa" und dem ein wenig unziemlich klingenden "Old Men & Young Woman" zur Jubiläumsausgabe im vergangenen Jahr lautete es heuer "Hören Sie Stimmen!" Natürlich ist das keine Aufforderung zum Delirieren, sondern ein Appell, sich auf das ursprünglichste und natürlichste Instrument des Menschen einzulassen: An drei Tagen präsentiert das 26. Jazzfest neun Gruppen, von denen acht explizit die menschliche Stimme ausloten, ob eingebettet in folkloristische Gewänder, allein vor einer Big Band, in einem dreistimmig singenden klassischen Jazztrio, popnah von einer Songwriterin, im klassischen Crooning oder beim Experiment mit einer Erzähler-Stimme.

Los geht es mit der Konnexion Balkon, der wild-witzigen Straßenmusik-Truppe um den Geiger Igor Stravansky, die mit Julian Williams und dem Cellisten Dizzy Erol mittlerweile schon zwei erstklassige Stimmen für ihren Balkan-Klassik-Jazz-Rock-Mix gefunden hat. Nach der Migration kommt Remigration: Die Singer/Songwriterin Katharina Busch stammt aus dem Chiemgau, lebt aber seit 2005 in Zürich. Vielleicht deshalb sind roadmovie-artige Songs zwischen Folk und Jazz das Markenzeichen ihres Quartetts.

Ein Höhepunkt des Jazzfests wird sicher der Auftritt des Munich Composers Collective: Gut zwölf Monaten lang probt der seit 21 Jahren in New York lebende Geiger und Komponist Gregor Hübner - bekannt unter anderem durch Tango Five oder die herausragende "Round about. . ."-Reihe mit Richie Beirach und George Mraz - mit diesem Ensemble aus Studierenden und Alumni der Münchner Musikhochschule, wo er seit 2011 Dozent ist. Gespielt werden ausschließlich eigene Kompositionen, unter anderem von Shooting Stars wie Monika Roscher, Matthias Lindermayr oder Leonhard Kühn.

Das Quintett Roman's line up des Freisinger Schlagzeugers Roman Seehon mit der charismatischen Sängerin Matilda Leko eröffnet den zweiten Tag mit vielseitigem Genuss-Jazz. Nach klassischem Crooner-Gesang mit der Billy-Strayhorn-Hommage von Thomas de Lates geht es mit dem wohl experimentellsten Auftritt in die Nacht: Mit dem eigens für ihn konstruierten (also im Bass erweiterten) Pedalpiano vertont Martin Kraemer Schlüsselszenen der Welt- und Halbweltliteratur, gelesen vom langjährigen Funk-Sprecher und großen Jazzfan Jürgen Jung. Der letzte Tag schließlich gehört dem deutschen Dr. John Markus Minarik mit seinem Trio, den Berliner Gästen Trionauts (die auch die einzigen reinen Instrumentalisten sind) und - als passendem feurig-farbig-rhythmischen Abschluss - der Band der brasilianischen Sängerin und Keyboarderin Lygia Campos, die mit Cracks wie Paulo Morello, Claudio Wilner und Walter Bittner die Musica Popular Brasileira mitreißend mit Jazz und Soul verbindet.

26. J.I.M. Jazzfest: "Hören Sie Stimmen!" , Donnerstag bis Samstag, 10. bis 12. Dezember, 20 Uhr, Black Box im Gasteig, Rosenheimer Straße 5

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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