Fernsehen: Kahn und die Dinge des Lebens:Titan und Banane

Lesezeit: 2 min

Die große Freiheit und ein Mann in seinem Käfig: Ein Film über Oliver Kahn.

Christopher Keil

Wenn man sich einmal von den Bildern befreit, die entstanden sind und täglich neu entstehen, würde man sich wahrscheinlich auch gerne einmal in das Wohnzimmer von Oliver Kahn setzen und mit ihm über seine außerordentlichen Leistungen sprechen. Oliver Kahn ist einer der besten Torhüter des Weltfußballs. Er war lange Zeit der Beste von allen, er war bester Spieler der Weltmeisterschaft 2002 - und an der Weltmeisterschaft 2006 nimmt er nach Lage der Dinge als Reservist teil.

Als er merkt, dass Rilke wichtiger zu sein scheint als die populäre Pointe, beginnt er, sich mit den Zeilen auseinanderzusetzen. (Foto: Foto: dpa)

Das müsste als Stoff für viele Fragen reichen, und die Fragen würden auf den Profibetrieb der Kicker zielen, auf den FC Bayern München, auf ein Leben zwischen den Pfosten, auf besondere Momente und Reflexe, auf das Verhältnis von Talent und Arbeit, auf den Unterschied zwischen Nummer eins und Nummer zwei.

Doch Oliver Kahn ist ja noch der ¸¸Titan". Er ist der Mann, dessen nackter Kulturbeutel, abgestellt auf dem Beifahrersitz seines Autos, zum Symbol für Ehebruch wurde. Er ist eine Berühmtheit in einer Gesellschaft, die wahre Berühmtheit fast nicht mehr kennt. Und so kam es, dass Kahn sich sowohl gegenüber den Spielern der eigenen Mannschaft als auch gegenüber denen des Gegners oft seltsam benahm. Und als er einen Fehler machte 2004 während der Champions-League-Partie des FC Bayern gegen Real Madrid, als dieser Fehler einen Sieg zu einem Unentschieden abwertete, sagte Kahn hinterher, sinngemäß: Dann müsse er im Rückspiel eben allein gewinnen.

Über diesen Oliver Kahn, den zu treffen ganz sicher ein Wagnis ist, ist ein Film entstanden. Er heißt Oliver Kahn und die Dinge des Lebens. Der Film beginnt mit einer Annäherung an das Grundstück, auf dem Kahn wohnt, und endet damit, dass Kahn in einem Münchner Restaurant am See das Rilke-Gedicht Der Panther liest. Er liest es flüssig und fehlerfrei. ¸¸Gibt es dazu auch eine Übersetzung?", will er wissen. Als er merkt, dass Rilke wichtiger zu sein scheint als die populäre Pointe, beginnt er, sich mit den Zeilen auseinanderzusetzen. Er ist dabei ehrlich und nicht unempfänglich für die Kraft der Poesie. Kahn ist, das wird in dem Film deutlich, überhaupt nicht unempfänglich. Vielleicht hat er nur zu oft gelaubt, was man über ihn, den ¸¸King Kahn", schrieb.

Es bleiben zwei Eindrücke: Einerseits soll Kahn stilisiert werden zum sensiblen Außenseiter. Andererseits ist Kahn sich das größte Rätsel. In seinem Käfig herrschen die Bilder des Gladiator und von Papillon. Kahn sucht Freiheit, er führt einen Freiheitskampf. Und manchmal ist sein großer Wille dabei wie betäubt.

Oliver Kahn und die Dinge des Lebens, 3sat, 21 Uhr.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.108, Donnerstag, den 11. Mai 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: