Fantasy:Kasimir, der Unsichtbare

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Ein Held, der merkt, dass er nicht real ist. Und ein Buch voller hinreißend komischer, aberwitziger Ideen.

Von Hilde Elisabeth Menzel

Unsichtbare Freunde sind ein beliebtes Motiv in der Kinderliteratur. Dass ein solcher Freund aber zum Ich-Erzähler einer Geschichte aufrückt, ist ebenso originell wie charmant. Die New Yorker Autorin Michelle Cuevas erzählt, sie sei auf die Idee gekommen, als ihr "Kasimir Karton" begegnete und ihr seine Geschichte erzählte. Sie musste sie nur noch aufschreiben.

Und das tat sie denn auch mit viel Humor, Lebensklugheit und herrlich skurrilen Einfällen, und Uwe Michael Gutzschhahn hat sie kongenial ins Deutsche übersetzt.

Acht Jahre lang war Kasimir glücklich als Zwillingsbruder von Fleur mit liebevollen Eltern, die einen Puppenladen betrieben. Nur der Dackel François war ihm nicht wohl gesonnen, und in der Schule wunderte er sich, weil ihn niemand zu beachten schien. Doch wenn er mit seiner Zwillingsschwester Fleur zusammen war, fühlte er sich absolut lebendig und geliebt.

Doch dann hört er heimlich ein Gespräch der Eltern, die finden, dass Fleur eigentlich zu alt sei für einen unsichtbaren Freund. Zuerst glaubt Kasimir, Fleur hätte ihm diesen unsichtbaren Freund verheimlicht. Voller Eifersucht denkt er sich einen eigenen unsichtbaren Freund aus, einen Drachenhering, halb Drache, halb Fisch, und präsentiert ihn seiner vermeintlichen Schwester. Als Fleur ihre Eltern dann bittet, auch für den Drachenhering einen extra Teller auf den Tisch zu stellen und ein Bett zu machen, ist für den Vater das Maß voll und er schreit, dass er den unsichtbaren Freund eines unsichtbaren Freundes der Tochter nicht akzeptieren werde.

In hinreißend komischen und absurden Szenen schildert die junge Autorin nun, wie Kasimir das Rollschuh-Mädchen trifft, das sich als unsichtbare Freundin eines Cowgirls outet und ihm erklärt, was es mit dem Unsichtbarsein auf sich hat. Und als er dann einige Versuche in der Schule und auf dem Fußballplatz macht, muss er sich eingestehen, dass er tatsächlich unsichtbar ist.

Fleur aber will ihn noch nicht gehen lassen, und ihre verzweifelten Eltern melden sie bei einem Psychiater an, der auf Kinder mit unsichtbaren Freunden spezialisiert ist.

Im Wartezimmer trifft Kasimir das Cowgirl mit den Rollschuhen wieder und Mr. Jammerlappen, der seinem ängstlichen Jungen ein Superheld sein muss. Er erzählt Kasimir von den "Anonymen Eingebildeten", einer Selbsthilfegruppe für Unsichtbare Freunde, und lädt ihn zu einem ihrer Treffen ein. Dort lernt er das Uggly Buggly kennen, das auch als "Monster-im-Schrank" oder "Ungeheuer-das-unter-dem Bett-lauert" bekannt ist. Uggly Buggly verrät Kasimir das Geheimnis, wie er sich von Fleur trennen kann. Er muss sie nur überreden, sich einzubilden, dass Kasimir frei sei.

Doch frei sein, ist leichter gesagt als getan, und für Kasimir beginnt eine lange Reise, auf der er vom "Amt für Neuzuteilungen" als unsichtbarer Freund den verschiedensten Kindern zugeteilt wird und sich sogar in einen Dackel verwandeln muss. Welch eine Schmach! Mit immer neuen aberwitzigen Ideen gelingt es der jungen Autorin ihre Leser mitzunehmen auf diese Reise voller kafkaesker Szenen, bei denen man zwischen Lachen und Weinen hin und her gerissen ist.

Wie die Geschichte ausgeht, wird nicht verraten. Sie ist so erfolgreich, dass sie schon in 16 Sprachen übersetzt wurde. Wie schön, dass so viele Kinder in aller Welt dieses liebevolle, schräge und zugleich philosophische Buch zu lesen bekommen. (ab 9 Jahre)

© SZ vom 21.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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