Extremismus-Debatte:Heimatkonzeptionen

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Vor dem Konzert von "Feine Sahne Fischfilet" in München spricht Sänger "Monchi" Gorkow über Radikalismus von Rechts und Links

Von Joshua Schössler

Die Punkband Feine Sahne Fischfilet sollte mittlerweile den meisten ein Begriff sein. Spätestens seit die Gruppe dieses Jahr vom historischen Bauhaus-Gebäude in Dessau eine Absage für einen Auftritt mit der Begründung erhielt, man wolle rechtsextremen Gegendemonstranten keine Bühne geben. Auf dieses Nicht-Ereignis folgte ein großes Medienecho, es wurde lange hin und her diskutiert, schlussendlich trat die Band dann doch in Dessau auf, jetzt in einem Brauhaus statt im Bauhaus.

Aber die Band konnte bereits früher Bekanntheit erlangen. Der preisgekrönte Dokumentarfilm "Wildes Herz" aus dem Jahr 2017 beleuchtet das Engagement der Band in Mecklenburg-Vorpommern, wo das meiste Freizeitangebot für Jugendliche von rechtsextremistischen Organisationen veranstaltet wird. "Wenn du in Mecklenburg-Vorpommern aufwächst, dann sind Faschos die Coolen im Dorf. In was für einen Sumpf man sich da begibt, merkt man erst viel später", sagt Jan "Monchi" Gorkow, der massige Sänger der Band, der auf der Bühne eine unfassbare Ausstrahlung besitzt. Er gab der Süddeutschen Zeitung im Vorfeld des nun anstehenden München-Konzerts ein Interview. Seit Jahren versuchen sie, ein alternatives Freizeitangebot für Jugendliche zu organisieren, ein Kampf gegen Windmühlen. Zum einen hat die Band immer wieder mit Drohungen von rechter Seite zu kämpfen. Zum anderen überwachte der Verfassungsschutz das Auto des Sängers über Jahre hinweg mit einem Peilsender. "Im Bericht des Verfassungsschutzes hatten wir mehr Seiten als sämtliche rechtsextremistischen Bands zusammen. Das muss man sich mal vorstellen!" Ob der Verfassungsschutz seiner Meinung nach auf dem rechten Auge blind sei? "Die Vermutung liegt nahe."

Man kann sich an dieser Stelle darüber streiten, inwiefern Feine Sahne Fischfilet als verfassungsfeindliche, linksradikale Band zu gelten hat. Ja, es gibt Songs aus ihrer Anfangszeit als Band, die sich nicht in Zweideutigkeiten verlieren: "Die nächste Bullenwache ist nur einen Steinwurf entfernt", singen sie in "Wut". Man muss dazu allerdings sagen, dass sich die Gruppe seit längerem ausdrücklich von diesem Stück distanziert: "Das ist uns einfach zu simpel. Wir waren jung, da denkt man etwas radikaler." "Wut" spielen sie seit sieben Jahren nicht mehr live. Es gibt auch den Song "Staatsgewalt", in dem es Zeilen gibt wie: "Die Bullenhelme, die sollen fliegen / Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein!" Aber hier geht es lediglich um eine Rachefantasie, die aufgrund eines Ohnmachtgefühls vor der Polizei entwickelt wird. Das Lied handelt davon, dass jemand auf einer Demonstration Opfer von Polizeigewalt geworden ist, nun aber selbst als Schuldiger vor Gericht steht. In diesem Song wird nicht zur Gewalt gegen Polizei aufgerufen, es ist ein Song über die Ohnmacht gegenüber der Staatsgewalt. Das ist ein feiner, aber wesentlicher Unterschied. Zudem lobte der Justizminister Heiko Maas die Band anlässlich eines Konzerts, das Feine Sahne Fischfilet im Mecklenburgischen Anklam zusammen mit Materia und Campino von den Toten Hosen gegen Rechtsextremismus gaben. Maas schrieb auf Twitter: "Tolles Zeichen gg Fremdenhass u Rassismus. Danke #Anklam #Campino @marteria @feinesahne! #nochnichtkomplettimarsch". Wenn selbst eine solche politische Prominenz die Band lobt, darf man sich fragen, wie extrem die Band eigentlich sein kann.

Es sollte auch erwähnt werden, dass selbst die radikalsten Zeilen dieser Band noch sehr harmlos daherkommen, vergleicht man sie mit anderen linksextremistischen Bands in Deutschland. "Da gibt es noch viel krassere Kollegen, die in ihrer Musik explizit staatsfeindlich agitieren." Dazu kommt die totale Radiotauglichkeit ihres Sounds, die von mitgrölfähigen Refrains nur so strotzen. Von rechtsextremen Bands braucht man hier gar nicht zu sprechen, die liegen in einer völlig anderen Kategorie der Gewalt. Hört man sich die aktuellen Songs von Feine Sahne Fischfilet an, so lassen sich die Themenfelder relativ klar bestimmen: Es geht um Liebe in allen Erscheinungsformen, Verlust, Freundschaft, Heimat. Gerade das letzte Thema dominiert viele Songs und hat ihnen den Ruf eingebracht, Freiwild in Links zu sein. Wie der Musik-Journalist Jens Balzer jedoch treffend herausgearbeitet hat, gibt es einen Unterschied zwischen der Heimatkonzeption der rechtskonservativen Freiwild und der von Feine Sahne Fischfilet: Während Heimat bei Freiwild ein Ort ist, den man mit Tradition und nationaler Gesinnung vor fremden Einflüssen schützen muss, ist Heimat bei Feine Sahne Fischfilet ein schöner Ort, den man gerne mit so vielen Menschen wie möglich teilt. "Heimat ist für mich verbunden mit Freundschaften, dem Meer, der Landschaft, ein Heimathafen für die Seele sozusagen", so Monchi.

Ist Faschismus ein Problem, das man nur in Ostdeutschland antrifft? Monchi dementiert das entschieden. "Schaut doch mal in die Dortmunder Nordstadt, das ist eine richtige Nazi-Hochburg. Und man darf auch nicht vergessen, dass der NSU in Bayern die meisten Morde verübt hat. Ohne ein funktionierendes Netz nationalsozialistischer Kameradschaften wäre es sehr schwierig gewesen, das aus dem Untergrund heraus zu organisieren", sagt der Sänger, der 2014 in Jena ein Praktikum beim NSU-Untersuchungsausschuss machte. Dort wohnte er bei der linken Thüringer Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss, die ebenfalls Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss ist.

Man kann das anstehende Konzert von Feine Sahne Fischfilet in München also als eine Erinnerung daran verstehen, dass auch das wohlhabende Bundesland Bayern ein Problem mit Rechtsextremismus hat. Dass es auch hier noch viele Baustellen gibt, an denen man arbeiten muss. Wie das geschehen soll, davon zeichnet die Band ein relativ klares Bild: Statt mit Rechten zu reden, solle man sich viel mehr darauf konzentrieren, diejenigen zu stärken, die sich gegen den sich in Deutschland ausbreitenden rechten Sumpf stemmen, die "geilen Leute auf den Dörfern", wie sie sie nennen.

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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