Erste lesbische Fernsehserie:Coming in

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"The L-Word" erklärt die Liebe unter Frauen zum modernen Lebensstil. Die Serie ist intelligenter, anspruchsvoller, lustiger und wilder als das durchschnittliche Serienangebot - auch als "Sex and the City". In den USA bereits ein Quotenhit, läuft sie jetzt auch in Deutschland.

Eva Marz

Eine Clique schöner, glücklicher, moderner Großstädterinnen in Los Angeles - und alle lieben sie Frauen. Mit einer Selbstverständlichkeit, als hätten urbane junge Frauen nie etwas anderes getan. Zum Auftakt kommt die junge Schriftstellerin Jenny neu aus der Provinz nach L.A., und ihr Initiationserlebnis erfährt sie gleich am ersten Nachmittag: Am Gartenzaun durchs üppige Blattwerk spähend, beobachtet sie ihre schönen Nachbarinnen im Pool. "Und dann hat die Dunkle die Blonde an die Poolwand gedrückt und sie leidenschaftlich gefickt", flüstert Jenny in dieser Nacht ihrem Freund ins Ohr. Der Gute reagiert ganz aufgeheizt, noch nicht ahnend, dass ihm da bald ernsthafte Konkurrenz ins Haus stehen wird.

Es dauert nämlich nur 24 Stunden, da haben auch Bette und Tina, die lesbischen Nachbarinnen, Jenny - oder vielmehr "ihre Brüste" - mit Interesse wahrgenommen. Und laden offensiv zu einer Party ein. Die Frauen auf dieser Party sehen exzellent aus. Die Berufe, die sie ausüben, stehen allesamt weiter oben in der gesellschaftlichen Hierarchie. Tina ist Managerin, Alice Redakteurin, Helena eine echte Profi-Tennisspielerin, Bette ist Museums-Direktorin. Jennifer Beals spielt diese Bette, und jedenfalls dem Äußeren nach hat sie sich seit Flashdance (1983) nicht wesentlich verändert. Eine weitere Kino-Heldin in der Serie ist Pam Grier - Tarantinos Jackie Brown - als Bettes Schwester Kit. Rosanna Arquette und Elodie Bouchez und andere werden in Gastrollen zu sehen sein.

So gesehen ist es kein Zufall, dass die erste "lesbische" Fernsehserie in den USA - sie läuft dort seit 2004 beim Sender Showtime - sehr erfolgreich wurde. Sie ist entschieden intelligenter, anspruchsvoller, lustiger und wilder als das durchschnittliche Serienangebot. Auch als Sex and the City, mit der - "same sex different city" - The L-Word natürlich verglichen wurde.

Unabhängig bis hin zur Zeugungsfrage

Das Lesbische wird neuerdings mainstream-fähig. In den deutschen Kinos läuft derzeit Hochzeit zu dritt, eine harmlose britische Komödie über eine lesbische Floristin, die einem Bräutigam kurz vor der Eheschließung seine Braut abspenstig macht. Schauspielerinnen des New Hollywood bekennen sich dazu, jahrelang in Frauen-Beziehungen gelebt zu haben - oder dementieren die Nachricht zumindest nicht, so wie Angelina Jolie. Möglicherweise sind nach den Schwulen jetzt die Lesben dran, schon, um den Hype um die angesagte homosexuelle Kultur noch etwas zu verlängern.

Die Frage ist, ob wir hier tatsächlich Zeugen einer Öffnung des öffentlichen Bewusstseins werden. Und dazu auch, ob diese Medienpräsenz "eine neue Normalität des Lesbischseins im Alltag widerspiegelt", wie die Neue Zürcher Zeitung kürzlich befand. Ein Blick ins Internet zeigt, dass The L-Word beim lesbischen Publikum durchaus auf Widerspruch stößt: Weil der tatsächliche homosexuelle Alltag dort allenfalls bedingt zur Abbildung kommt. Allerdings sei im Gegenzug gleich angemerkt, dass die Sendung eine große lesbische Fangemeinde hat, die sich darüber freut, dass die homosexuelle Frau im Film endlich einmal aus ihrem tristen Mauerblümchenschicksal befreit wurde. Dass die üblichen Klischees vom ach so schwierigen Coming-Out und vom Kuschel-Sex nicht vorkommen, sondern dass die L.A.-Girls glücklich mit sich sind.

Die sieben L-Word-Frauen sind vor allem extrem unabhängig. Bis hin zur Zeugungsfrage: der Pilotfilm beginnt ja mit dem Bild zweier verliebter Frauen, die jubeln: "Heute machen wir ein Kind!" Wie die Besetzung der männlichen Nebenrolle dabei dann zwar lästig, aber keineswegs unlösbar ist, dafür haben sich die Drehbuchautoren lustige, provozierende Szenen ausgedacht. Vielleicht geht es in The L-Word am Ende einfach um die Frau, die alleine klar kommt - eben um die moderne Frau als solche.

© SZ vom 30.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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