Zuletzt waren es die Künstler, die Kritik übten an Friedrich Christian Flick und dem Berliner Vorhaben, seine Sammlung zeitgenössischer Kunst auszustellen - Dienstag Abend wird die "Friedrich Christian Flick Collection" nun in der Rieck-Halle neben dem Hamburger Bahnhof feierlich eröffnet. In der Zeit sprach der Konzeptkünstler Hans Haacke von der "Sklavenarbeit, die seine Sammlung mitfinanziert hat"; der Maler Gerhard Richter fand, das Ganze sei ein "widerliches Theater".
Trotz der hochkochenden Debatte in den vergangenen Monaten, in der auch Begriffe wie "Blutgeld" und "Sippenhaft" fielen, eröffnet der Bundeskanzler im Beisein des Berliner Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit demonstrativ die Ausstellung - wohl auch, um der Ausstellung, welche die Berliner Kunstlandschaft stark aufwerten soll, einen Image-Gewinn zu verschaffen.
Déjà-vu für Flick
Flick, Enkel des Rüstungsindustriellen Friedrich Flick, der in der Nazizeit Zwangsarbeiter beschäftigte, muss sich vorgekommen sein wie in Zürich vor drei Jahren. Auch dort waren es Kunstschaffende, allen voran der Theaterregisseur Christoph Marthaler, die verhinderten, dass Flick seiner Kunstsammlung in der Zwingli-Stadt durch den Stararchitekten Rem Koolhaas ein Haus bauen ließ.
Der Vorwurf blieb dabei bis heute immer derselbe: Flick habe durch sein Erbteil vom Vermögen des Großvaters profitiert, das dieser als Rüstungsmagnat und Waffenlieferant im Dritten Reich angehäuft und nach dem Krieg noch vermehrt hatte. Er habe durch sein Engagement, seine Sammlung öffentlich zugänglich zu machen, der dunklen Familiengeschichte "eine hellere Seite" hinzufügen wollen - eine Wortwahl, die vom Sammler selbst stammte und ebenfalls stark kritisiert wurde.
Der Hauptvorwurf: Flick weigere sich, in den Fonds zur Entschädigung für Zwangsarbeiter einzuzahlen. Er hat dies in der Tat stets abgelehnt, und zwar nicht erst seit der Debatte in Zürich. Inzwischen wurde bekannt, dass seine beiden Geschwister, Dagmar Ottmann und Gert-Rudolf Flick, sehr wohl in den Fonds eingezahlt haben; Ottmann hat sogar ein Forschungsprojekt zur Geschichte der Familie Flick an der Universität Dortmund in Auftrag gegeben. Flick jedoch blieb stur: Nach dem Widerstand in Zürich entschied er, der Stadt den Rücken zu kehren.
Auch eine für 2002 geplante Schau seiner Sammlung im Münchner Haus der Kunst sagte er ab - mit dem Hinweis, die Kunstwerke und ihre Schöpfer könnten "Schaden nehmen" im Streit um Moral und Kunst. Der einstige Jet-Setter nahm eine Auszeit in Andalusien in einem Kloster, traf dort Künstler und Freunde.
Wowereit brachte Berlin ins Spiel
Nach dem Rückzug aus Zürich brachte Klaus Wowereit den Ball wieder ins Spiel: Er schlug Berlin als Ausstellungsort vor und vermittelte auch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz die neue Idee. Alle Seiten waren hell begeistert; auch der Berliner Sammler Heinz Berggruen verwendete sich für Flick. Im Januar 2003 wurde die Entscheidung für Berlin verkündet, zunächst für sieben Jahre sollen nun Bestände der Sammlung präsentiert werden.
Es wurde ein Vertrag zwischen der Stiftung und Flicks Firma "Contemporary Art Ltd." geschlossen, der vorsieht, dass Flick, im Gegensatz zu den Zürcher Planungen, nur den Umbau der Rieck-Halle bezahlen muss und die volle Verfügungsgewalt über die ausgestellten Kunstwerke behält: So kann er sie jederzeit wieder abziehen und weiterverkaufen.
Dieser Umstand und die Tatsache, dass die Gelder aus Berlin an seine Firma in einer britischen Steueroase fließen, nährten den Verdacht, Flick wolle mit der Ausstellung der "Flick Collection", wie sie damals noch hieß, die Wertsteigerung seiner Sammlung betreiben. Allerdings hat Flick bislang nur sehr wenige Werke etwa von Andreas Gursky oder Gerhard Richter wieder verkauft; außerdem ist dieses Vorgehen unter Sammlern durchaus üblich und hat deshalb noch nichts Spekulatives. Dass tatsächlich eine Wertsteigerung gerade der ausgestellten Arbeiten jüngerer Künstler eintritt, gilt jedoch durchaus als möglich.
Berliner Verlobung
Obwohl Berlin als Schaltzentrale der Nazis auch mit den Rüstungsgeschäften des alten Flick und dadurch mit der Ausbeutung der Zwangsarbeiter eng verknüpft war, regte sich anfangs kaum Widerstand gegen die "Berliner Verlobung", wie Kulturstaatsministerin Christina Weiss die Entscheidung nannte. Erst im Frühjahr 2004 wurden die Stimmen kritischer: Vor allem Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, erhob schwere Vorwürfe und sprach vom "Blutgeld", mit dem die Sammlung erkauft sei.
Die Zeitschrift Art nannte die "Flick Collection" ein "brisantes Danaergeschenk", weitere Kritik kam vor allem aus Israel und Amerika. Flick und die Stiftung reagierten zunächst abwehrend; schließlich entschieden sie sich doch noch, dem Münchner Institut für Zeitgeschichte einen Forschungsauftrag zur Familiengeschichte der Flicks zu erteilen. Wer die Ausstellung besucht, wird eine Art Zeitung in die Hand gedrückt bekommen, für die ein "schonungsloses" Interview von Ausstellungskurator Eugen Blume mit Flick angekündigt ist.
Dagmar Ottmann, der Schwester Flicks, war das nicht genug. Im August 2004 veröffentlichte sie einen offenen Brief, in dem sie warnte, dass durch die "Herausstellung des Namens Flick" Zwangsarbeiter an ihr Leid erinnert würden. Daraufhin änderte man den Titel der Schau in "Friedrich Christian Flick Collection" - auf dass die Familie Flick nicht in Sippenhaft genommen werde.