Eric Clapton: Die Autobiographie:"Mehr geht bei meinem Ego nicht"

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Eric Claptons am Montag erscheinende Autobiographie scheint mit Slowhand geschrieben: schonungslos offen, aber niemals hysterisch oder sentimental.

Bernd Graff

Wenn die Alten erzählen, dann schauen sich die Jungen wissend an, seufzen und wissen, dass sie nun wieder mit Geschichten konfrontiert werden, die sie schon tausendmal gehört haben. Die sie nicht mehr wirklich spannend finden und die sie sich nur aus Höflichkeit noch ein weiteres Mal anhören. "Ja, ja, der Großvater!", denken sie dann und stellen sich den alten Herrn, der vor ihnen mit dem Kopf wackelt als den jugendlichen Helden vor, der er in seinen Geschichten gewesen sein will. Rührend, nicht wahr?

Eric Clapton am 28. Juli 2007 beim Crossroads Guitar Festival in Chicago. (Foto: Foto: ap)

Doch nun kommen immer mehr Menschen in ein Greisenalter, denen man ein rundum aufregendes Leben attestieren möchte, das keineswegs nur in irgendeiner fernen Jugend stattgefunden hat, sondern das immer so aufregend weitergegangen ist, seitdem man von ihnen weiß. Diese Menschen nennt man zumeist Pop-Titanen - und wenn sie ins Erzählen kommen, erwartet man grelle Erinnerungen, die den Zuhörern auch mal rote Ohren bescheren.

So wurden die Autobiographien von Bob Dylan und Sting zu Bestsellern in den vergangenen Jahren, noch in diesem Jahr werden die Lebensgeschichten von Ron Wood und Slash erwartet. Und das Leben des guten Keith Richards hält man für so durchgeknallt, dass man dem furchigen Rolling Stone gleich mal sieben Millionen Dollar für die Abfassung seines Beichtbuches angedient hat.

Ganz anders aber verhält es sich bei den Erinnerungen von Eric Clapton, dem 1945 geborenen Briten, die zu Beginn der kommenden Woche auf Deutsch erscheinen. Denn Clapton, den sie Slowhand nennen, hat zwar ebenfalls das genretypische, laute Leben voller Ups and Downs hinter sich, das man von Popgrößen einfach erwartet. Doch Slowhand selbst war nie laut. Er gilt als einer der einflussreichsten Musiker des letzten Jahrhunderts, er hat mit den bedeutendsten seiner Zeitgenossen gespielt, mit den Yardbirds, den Bluebreakers und Cream. Er begleitete die Beatles, Bob Dylan, Muddy Waters und Howlin' Wolf und spielte für George Harrison mal eben die Lead-Gitarre bei "My Guitar Gently Weeps" ein.

Seine Solokarriere ist beispiellos, er füllte Konzerthallen und Stadien rund um den Globus. Doch, was Clapton noch immer auszeichnet, sind nicht die schrillen, es sind die stilvoll gleitenden Töne. Damit ist seine musikalische Brillanz gemeint. Denn in seinem von außerordentlich tragischen Ereignissen und einigen Merkwürdigkeiten geprägten Leben ging es weniger harmonisch zu. So wuchs Clapton bei seinen Großeltern auf, die er für seine Eltern hielt.

Seinen wirklichen Vater hat er nie gesehen. Hingegen glaubte er bis zum Alter von neun Jahren, dass seine leibliche Mutter seine größere Schwester sei. In den siebziger Jahren kämpfte Clapton gegen seine Drogenabhängigkeit und fühlte sich selbst in Entzugskliniken als aussichtslos alkoholkrank: "Der Lärm in meinem Kopf war betäubend", schreibt er nun über diese Phase, "alles in mir schrie nach Alkohol.

Schockiert musste ich erkennen, dass ich selbst in diesem Behandlungszentrum, in dieser angeblich sicheren Umgebung, ganz ernsthaft in Gefahr war. Das machte mir eine Heidenangst. Ich sank auf die Knie. In der Abgeschiedenheit meines Zimmers flehte ich um Hilfe. Ich hatte keinen Begriff davon, mit wem ich da redete, ich wusste nur, dass ich mit meiner Kraft am Ende war und den Kampf verloren gegeben hatte."

Nachdem er doch noch einen Weg aus der Abhängigkeit gefunden hat, bilanziert er: "Von diesem Tag an bis zum heutigen habe ich jeden einzelnen Morgen gebetet, auf den Knien gelegen und um Hilfe gefleht, und jeden einzelnen Abend habe ich für mein Leben und, vor allen Dingen, für meine Nüchternheit gedankt. Auf den Knien, weil ich spüre, dass ich mich beim Beten erniedrigen muss, und mehr geht bei meinem Ego nicht."

Das sind nicht die skurrilen Töne des auf Exzentrik trainierten Rockstars, das ist ein schonungslos offenes Bekenntnis. Darum bringt man als Leser unbedingt Verständnis dafür auf, dass Clapton die Geschichte des tragischen Todes seines vier Jahre alten Sohnes nicht in extenso behandelt. Connor starb beim Sturz aus einem Hotelfenster, Claptons bekanntes Lied ''Tears in Heaven'' ist nach diesem Unfall entstanden.

"Ich wollte eigentlich warten, bis ich tatsächlich ein ganzes Leben erzählen könnte", sagt Clapton über sein Buch. "Aber dann dachte ich, erzähle es jetzt, solange du dich noch an alles selber erinnerst und nicht auf Erzählungen anderer angewiesen bist."

Tatsächlich hat diese Biographie schon selber eine Geschichte. Begonnen wurde sie von einem Ghostwriter: Christopher Simone Sykes, einem langjährigen Freund Claptons. Aber er und sein Verleger wurden nicht glücklich mit den ersten Kapiteln. "Entsetzlich, das war ich nicht", sagt Clapton. "Ein wenig zu atemlos", sagt sein Verleger. Also übernahm Clapton - während seiner Tournee im letzten Winter. "Übernahm" ist das falsche Wort - er disziplinierte sich, regelmäßig zu schreiben. Das ist nicht einfach für jemandem, der sich selbst als perfektionistisch und dabei faul bezeichnet.

Um so erstaunlicher ist das Ergebnis: "Mein Leben" scheint mit Slowhand geschrieben. Ausgewogen, niemals hysterisch oder sentimental. Ganz so, als ob jemand mit genügend Erfahrung in Selbstbeobachtung und -einschätzung sein Leben referiert und berichtet, was unabänderlich geschehen ist. Wohltemperiert und nüchtern und hochreflexiv.

Als die Verleger ihn baten, die Geschichte des tragischen Unfalls seines Sohnes ausführlicher darzulegen, sagte Clapton einfach nein: "Es ist nicht so, dass ich diese überwältigende Trauer nicht mehr empfinden würde. Die Traurigkeit ist immer da, sie tippt mir nur auf die Schulter und schon überflutet sie meine Gefühle. Aber es ist schwierig für mich, darüber zu schreiben, ohne sensationsheischend oder klischeehaft in meinen Ausführungen zu sein. Und ich werde nicht falsche Emotionen schildern, nur weil man sie so erwarten könnte."

Eric Clapton erzählt in seiner Biographie oft bemerkenswert aufrichtig, nie aufgeregt von einem Musikerleben, dem eine schicksalhafte Ironie ein odysseushaftes Vagabundieren durch nahezu alle menschlichen Abgründe abverlangte. Und ihm gleichzeitig das unfassbare Talent mitgab, dazu sehr melodiös, nein, elegant Gitarre zu spielen.

Eric Clapton: "Mein Leben". - Verlag Kiepenheuer & Witsch, 464 Seiten, 19,90 Euro

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