Endlich Zeit für...:So was von "con brio"

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Beethoven, Jansons und das Wiener Neujahrskonzert

Von Egbert Tholl

Als Kind war man stets verblüfft, wie die Damen durch den Park tanzten. Im Winter. Vielleicht war es auch gar kein Park, aber die Erinnerung ist so. Immer am Neujahrstag, es war Mittag; und im klobigen Fernseher bei Opa und Oma tanzten sie, die Damen und auch die Herren, während da ein Orchester Walzer spielte. Dass dieses Orchester die Wiener Philharmoniker waren, also ein weltberühmtes Ensemble, das war dem Kind egal - faszinierender war die Tanzerei in Hamilton-Weichzeichnerästhetik.

Am Neujahrstag 2016 wird Mariss Jansons zum dritten Mal das Wiener Neujahrskonzert dirigieren. Das heißt, er kann weder, wie üblich, mit Valery Gergiev den Beginn eines neuen Jahres begehen, noch das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks dirigieren. Mit diesem brachte er 2013 eine Großtat heraus: alle neun Beethoven-Symphonien, kombiniert mit Auftragswerken, die lebende Komponisten schufen. Die Konzerte des Zyklus fanden schon 2012 statt, in München und in der Suntory-Hall in Tokio, wobei die Auftragswerke nur in München gespielt wurden. Nun also kann man das alles zu Hause anhören, auf den CDs des BR-Labels. Und was man da hört, ist großartig.

Es liegt ein eigentümlicher Glanz über dem Orchester, etwas Erhabenes, das einen an Karajans oder vielleicht auch Toscaninis Aufnahmen denken lässt. Unsinnigerweise, denn in erster Linie denkt man ans strahlende Gesicht von Mariss Jansons, wenn er Momente musikalischen Glücks erlebt. Das tut man hier auch, als Hörer; und wer daran zweifelt, muss nur auf den Schlussapplaus nach der Fünften achten: Wie da das japanische Publikum auf Urlaute der Verzückung verfällt, das vermittelt eine Euphorie, die einen über jede Weihnachtsdepression trägt. Fabelhaft. Danach folgt noch "Fires" von Raminta Šerkšnytė: Erst eine radikale Ausdünnung des vorangegangenen Furors, dann kehrt der zurück, aber so etwas von con brio - inklusive des Klopfmotivs aus der Fünften erstem Satz.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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