Endlich Zeit für ...:Dichter dran

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Fitzgerald Kusz' Lyrik-Band "Nämberch-Blues"

Von Sabine Reithmaier

Fitzgerald Kusz liebt Haikus. Das ist nicht neu, hat der Pionier der fränkischen Mundartlyrik doch schon 2015 in "Guuder Moond" ausschließlich Dreizeiler veröffentlicht. Auch in seinem neuen Gedichtband "Nämberch-Blues" (Ars vivendi) frönt er seiner Leidenschaft, fragt in konsequenter Kleinschreibung im "schweige-haiku": "warum moußdn suvill redn? / es is ja suwisu worschd / wosd sachsd!" Aber es finden sich auch kretische, spanische oder Weimarer Haikus und - logisch - "Nämberch-Haikus" in dem Band. Sein Faible für die japanische Gedichtform begründet Kusz im Nachwort mit einer Maxime seines Dichterkollegen Jean Paul: "Sprachkürze gibt Denkweite." Dem ist nicht zu widersprechen.

Warum man für seine Lyrik endlich Zeit braucht und sie nicht einfach so nebenher lesen kann, ist schnell erklärt. Zum einen weil Zeitgenossen, die des Fränkischen nicht von Geburt an mächtig sind, eine Weile brauchen, um sich in dem Dialekt zurechtzufinden. Zum anderen weil Kusz' Gedichte viel stärker wirken, wenn man sie laut liest - und das passt nun auch nicht zu allen Zeiten. In den Ferien aber schon, zumal es einen "weihnachtsblues" gibt und - für Großeltern zum Vortrag sehr geeignet - eine Reihe von Enkelgedichten.

Kusz selbst findet ja, dass Gedichte neben der Sprache noch etwas anderes haben müssen, "eine Energie, eine Antriebskraft, einen Treibstoff, der sie auf die poetische Umlaufbahn schickt". Sonst seien sie langweilig, bloßes Wortgeklingel. Tatsächlich sind seine Verse enorm kraftvoll, haben jenen unverwechselbaren Sound, der ihm so wichtig ist. Und weil Kusz ein sehr belesener Philologe ist, in Vor-Schriftstellerzeiten Germanistik und Anglistik studiert und zehn Jahre als Lehrer gearbeitet hat, bleibt er auch nicht im Haiku hängen, sondern schöpft aus vielen Quellen. Lässt sich von dem amerikanischen Autor Richard Brautigan inspirieren, experimentiert mit Shakespeare-Sonetten und Bibelstellen, weiß wie der Prediger Salomo (Koheleth), dass alles seine Zeit hat: "... die voärrodsdodnschbeichärung / die resdmüllendsorchung / allers houd sei zeid." Und auch "di daadnaudobohn / des onleindäiding / des saibämobbing" (echtzeit).

Manche seiner Verse wirken wie spontane Bemerkungen, schnell irgendwo hinnotiert. Aber Kusz ist ein großartiger Sprachkünstler, der seine Beobachtungen, Einsichten, Erfahrungen sorgfältig destilliert und exakt auf den Punkt bringt, überzeugt davon, dass der Dialekt an allem dichter dran ist - "an den Menschen, am Alltag, an den Emotionen, am Leben." Oder, wie er es in "dia-leckdigg" formuliert: "ohne meinä muddä iä schbrouch / kammi meim vaddä sei land / kreizweis." Fitzgerald Kusz, 1944 in Nürnberg geboren, ist inzwischen 73 Jahre alt. Aber man merkt immer noch, dass er zur Generation der Achtundsechziger gehört. Sein Widerspruchsgeist ist nicht erloschen: "wenn annä zu miä sachd / auf di blädze ferdich los / bleibi audomoodisch schdäih", schreibt der Dichter in "Fehlstart". Und wenn das, was das Volk so von sich gibt, fürchterlich ist, dann braucht es eben Änderungen: "wir sind das volk / wenn des das volk is / moui mä ä anders soung".

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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