Endlich Zeit für . . .:Annäherung an das Genie

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Arturo Benedetti Michelangelis legendärer Konzertmitschnitt

Von DIRK WAGNER

Tatsächlich war die Violine sein Lieblingsinstrument. Doch krankheitsbedingt musste Arturo Benedetti Michelangeli (1920 bis 1995) seine Ausbildung zum Geiger abbrechen. Also wechselte er ans Klavier und wurde schon bald mit Franz Liszt verglichen. Trotzdem schien jene unerfüllte Liebe zur Violine die Leidenschaft des Italieners immer noch zu befeuern, als er am 7. August 1965 Johann Sebastian Bachs Chaconne aus der Partita für Violine solo Nr. 2 d-Moll BWV 1004 in der romantisch virtuosen Bearbeitung für Klavier von Ferriccio Busoni mit einer atemberaubenden Hingabe offerierte. Zum 25-Jährigen der 1992 vom österreichischen Kulturjournalisten Gottfried Kraus initiierten CD-Reihe mit Tondokumenten der Salzburger Festspiele ist 2017 der Radiomitschnitt des ORF von Michelangelis einzigem Auftritt bei den Salzburger Festspielen beim Münchner Klassiklabel Orfeo International erschienen.

Wobei mit der darauf enthaltenen Chaconne und der Sonate Nr. 3 C-Dur, op. 2/3 von Ludwig van Beethoven leider nur das halbe Konzert von Michelangeli im großen Saal des Mozarteums erhalten blieb. Der damals 45 Jahre alte Pianist, der dafür bekannt war, seine Konzerte auch mal kurzfristig abzusagen oder wegen geringer Störungen abzubrechen, wurde diesmal vom Beifall nach dem ersten Satz der Beethoven-Sonate irritiert. Unter Michelangeli-Kennern grenzt es deshalb an ein Wunder, dass der "Divino Arturo" seinen Vortrag nach kurzem Innehalten dennoch fortsetzte. Allerdings verbot der Perfektionist, der stets mit eigenem Konzertflügel und eigenem Klavierstimmer reiste, in der anschließenden Pause sowohl die weitere Rundfunkübertragung des Konzerts als auch den weiteren Mitschnitt.

"Mag er noch so oft absagen; wenn er spielt, wenn die Musen sich über einen Wall aus Vorsicht, Arbeit und Perfektion ihm zuneigen, dann scheint er allein auf der Welt. Und alle Klavierverliebten müssten dabei sein", schwärmte damals Joachim Kaiser in der Süddeutschen Zeitung über Arturo Benedetti Michelangelis Gastspiel in Salzburg. Einen Teil des gefeierten Konzerts kann man nun nach mehr als einem halben Jahrhundert in bester Klangqualität auf CD genießen. Auf einer CD, die eben nicht nur das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit reproduziert, sondern auch den flüchtigen Moment seiner Entstehung.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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