Elektronisches Instrument:Aus dem Nichts

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Verena Marisa und die Liebe zum Theremin

Von Dirk Wagner, München

Vorsichtig gleitet die Hand durch die Luft, krümmt die Finger und nähert sich immer wieder jener Antenne, in deren Aura sie zu greifen scheint. Merkwürdige Klänge begleiten die beschwörende Gestik, die mit einer einzigen Handbewegung alle Töne einer Oktave abruft. Jede Fingerposition spielt dabei einen anderen Ton, ohne das Instrument selbst zu berühren. Theremin heißt dieses 1920 vom russischen Physiker Lew Sergejewitsch Termen erfundene elektronische Instrument, aus welchem Robert Moog später den Synthesizer entwickelte.

Die Münchner Soundartistin und Komponistin Verena Marisa hatte es im Studio des Filmkomponisten Gerd Baumann entdeckt, immer wieder ausgeliehen und schließlich zu ihrem primären Instrument erhoben. Auf diesem lebt die ausgebildete Filmkomponistin, die vor allem für Fernsehproduktionen komponiert, ihre avantgardistische Seite aus. Den jüngst ihr verliehenen Musikförderpreis der Stadt München empfindet sie als Bestätigung für ihre experimentellen Arbeiten, die sie auch als "finanziell extrem unrentabel" beschreibt. Einmal abgesehen davon, dass sie ihren Unterhalt mit ohnehin großartigen Filmmusiken sichern kann, scheint der Klangkünstlerin aber wichtiger zu sein, wofür als wovon sie lebt.

Ihr Vortrag in der Favorit Bar über das Theremin und dessen Geschichte ist darum durchtränkt von einer Begeisterung für dieses Instrument, die sofort auch die Zuschauer erfasst. Sichtlich erstaunt lauschen diese den magischen Klängen, die Marisa demonstrativ ihrem Lieblingsinstrument entlockt. Klänge, die mitunter an der Klangfarbe einer Violine erinnern, dann aber schon beinahe etwas gesangliches haben. Als erhebe sich aus dem Nichts der Sopran einer geisterhaften Frau. Schaurig schön. Mit einer Loop-Station nimmt Marisa immer weitere Tonspuren auf, die im Zusammenspiel zu einem Orchester wachsen. Um dabei die bereits gesampelten Töne von den neu hinzu gespielten unterscheiden zu können, blickt die Klangkünstlerin immer wieder auf ein Stimmgerät, das in riesigen Leuchtbuchstaben den jeweils neuen Ton benennt.

Mit neugieriger Spielfreude versucht die Musikerin dabei auch ein paar Synthesizer-Sounds. John Cages Vorwurf, wonach die Thereministen durch einseitige Verwendungen eines klassischen Repertoires die revolutionären Möglichkeiten des neuen Instruments bereits zerstört hätten, trifft jedenfalls nicht auf Marisa zu. Trotzdem zitiert sie Cage in ihrem Vortrag, den sie nicht nur mit eigenen Klangbeispielen anreichert, sondern mit Filmausschnitten und Musikbeispielen wie der Hit-Single "Good Vibration", für die die Beach Boys eine Variante des Theremins, das sogenannte Tannerin benutzten.

Verena Marisa spielt ein halbstündiges Theremin-Set, Mittwoch, 17. Mai, 20 Uhr, Salzstangensalon der Kiste, Siegesstraße 17

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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